Blut und Kupfer
niederzudrücken.
Anselm stand mühsam auf und rieb sich das Gesicht mit einem Ärmel seines schwarzen Überrocks ab. »Bedarf es unserer Anwesenheit noch länger, Herr von Tulechow?«
»Im Grunde nicht, nein. Die Komödianten nächtigen im Bäcklbräu im Tal. Ihr solltet ihnen nicht über den Weg laufen, solange sie in München sind.« Tulechow verzog ärgerlich das Gesicht, als vor der Tür Stimmen laut wurden. »Jais!«, rief er.
Der Lakai, der sie hergebracht hatte, kam herein, und Marie betrachtete ihn genauer, denn er schien das Vertrauen seines Herrn in prekären Angelegenheiten zu genießen. Jais war ein unauffälliger Mann von mittlerer Statur und beherrschten Bewegungen. Seine dunkle Livree saß tadellos, doch seine Haltung war nicht die eines Mannes, der sich mit dem niedrigen Dasein eines Dienstboten zufriedengab. Mit wieselflinken Augen erfasste Jais die Situation, um sich sofort auf seinen Herrn zu konzentrieren und ihm den Grund für die Störung zuzuflüstern.
Mit den Worten »Ist gut. Er soll warten« schickte Tulechow Jais hinaus. »Ich verstehe, dass Herr von Kraiberg und der Pater mein Haus nun verlassen werden.«
Georg starrte ausdruckslos vor sich auf den Boden, während Anselm sich ein Taschentuch gegen die Nase drückte.
»Für Euch wird, wann immer Ihr es wünscht, ein Tragsessel bereitstehen, Verehrteste. Ich wage jedoch zu hoffen, dass Ihr noch ein wenig verweilt, zumindest bis ich die Überraschung des Abends enthüllen lasse.«
Bevor Marie ablehnen und sagen konnte, dass sie weiteren Überraschungen nicht gewachsen war, fuhr Tulechow fort: »Auf jedem meiner Feste erwartet meine Gäste eine Besonderheit, eine Kuriosität oder eine außergewöhnliche künstlerische Darbietung. Das Theaterintermezzo war amüsant, aber keine große Schauspielkunst, wie Ihr zugeben müsst. Selbst mein guter Freund Hainhofer dürfte heute noch zum Staunen gebracht werden. Und es ist wahrhaft nicht leicht, einen Kunsthändler von Rang mit einem seltenen Werk zu beeindrucken.«
Mit beinahe kindlicher Freude schwärmte Tulechow von seiner geplanten Präsentation, so dass Marie freundlich erwiderte: »Selbstverständlich möchte ich das Ereignis nicht versäumen.«
Sich zufrieden die Hände reibend, schritt Tulechow beschwingt hinaus.
»Bastard!«, zischte Georg und erntete einen wütenden Blick von Marie.
»Wie könnt Ihr das über den Mann sagen, der Euch eben vor dem Gefängnis bewahrt hat? Schämt Euch, Georg!«
»Ja, es passt alles herrlich zusammen, nicht wahr? Kommt, Anselm, wir haben hier nichts mehr verloren.« Georg legte den Arm um seinen Freund, der sich kaum auf den Beinen halten konnte.
Marie verstand ihren Bruder nicht. »Was ist denn nur in Euch gefahren? Erst seid Ihr hellauf begeistert über diese Einladung und preist Tulechow als vorteilhafte Partie, und nun beschimpft Ihr ihn und …?«
Die Seelenqual in Georgs bleichem Antlitz ließ Marie verstummen. »Irgendetwas geht nicht mit rechten Dingen zu. Ich kann meinen Finger nicht darauflegen, aber ich weiß einfach, dass diese Carla nicht zufällig hier hereingeplatzt ist, und wir waren nicht …« Er brach ab und packte Anselm, der erneut schluchzte, fester. »Ich bringe ihn ins Kloster. Mein armer Freund!«
»Aber wenn Ihr nicht, ich meine, warum sagt Ihr das nicht einfach?«, fragte Marie.
Georg schüttelte müde den Kopf. »Es spricht alles gegen uns, und ich bin ja selbst schuld an meinem Ruf. Für meine widernatürlichen Liebschaften gibt es genügend Zeugen. Anselm ist es, um den ich mich sorge. Ich suche Euch morgen im Ridlerkloster auf.«
»Ich fahre mit Doktor Kranz nach Kraiberg.«
»Was? Das könnt Ihr nicht!«
»Ich fahre. Warum denn nicht, Georg? Für jetzt seid Ihr außer Gefahr, und ich kann mit Remigius sprechen. Ich habe eine Idee, wie wir den Herzog für uns gewinnen, dann bedürfen wir der Hilfe eines Tulechow nicht.« Sie sah zur Tür und sagte leise: »Es gefällt mir nicht, auf seine Gnade angewiesen zu sein.«
Anselm hustete und schwitzte plötzlich stark. »Dann geht mit Gott, Marie«, sagte ihr Bruder und brachte seinen Freund zur Tür.
Marie mischte sich unter die Gäste, die das Buffet bereits geplündert hatten. Hunger hatte sie keinen, doch sie stürzte ein Glas Wein in einem Zug hinunter, um ihre zitternden Hände zu beruhigen. Die Musiker spielten bereits erste Tänze, und einige Damen deuteten Tanzschritte an, in der Absicht, favorisierte Herren zu einer Allemande zu locken. Menschen und Töne
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