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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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in diesem Turm sterben und nicht im Armenhaus.«
    »Die Tafel?«
    »Ist hier.« Er klopfte auf sein Laken und kicherte. »Ich schlafe darauf.«
    Marie seufzte erleichtert auf. Nicht, weil ihr die Tafel etwas bedeutete, sondern weil sie ahnte, dass dies der Grund war, warum ihr Oheim noch lebte. »Berthe, hat sie das Buch Eures Freundes Melchior Janus gestohlen? Ich habe sie mit Marbods ›Lapidibus‹ erwischt.«
    »Selbst wenn es fort ist, ich habe die entscheidende Seite herausgerissen. Mit dem Rest kann niemand etwas anfangen.« Remigius hustete, und Marie suchte nach einem Becher. Frisches Brot und Wasser würde Els nachher noch bringen. Sie wollte sich erheben, doch Remigius hielt sie zurück.
    »Nur eine Frage noch, bevor Ihr geht. Wart Ihr im Ridlerkloster?«
    Sie nickte müde. »Gisla?«
    »Hat sie von … von früher gesprochen?« Lauernd beobachtete er sie.
    »Ein wenig.«
    Er murmelte in seinen Bart und sank auf sein Lager.
    »Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Oheim.« Mit der Mühsamkeit einer Greisin erhob sie sich und wusste später nicht einmal mehr, wie sie die Treppen hinuntergelaufen war, abgeschlossen hatte und wieder heraufgestiegen war.

XVII
    • •
    Das Buch des Melchior Janus

    Der Chalazias hat die Farbe und Gestalt des
    Hagels und die Härte des Diamanten.
    Caius Plinius Secundus, »Naturgeschichte«,
    XXXVII. Buch, »Von den Edelsteinen«

    Z artes, frühsommerliches Grün spross an Birken, Erlen und Buchen, die das Gut mit ihren Laubkronen schützend einzuhüllen schienen. Marie hatte eines der Fenster im Korridor vor dem Turm aufgestoßen und sog die warme Mailuft ein, in der sich die landwirtschaftlichen Gerüche des Hofes mit den würzigen Düften der nach neuem Leben hungernden Natur mischten. Ein Habicht kreiste über den Feldern, die Singvögel erfreuten sich der morgendlichen Sonnenstrahlen, und junge Ziegen trieben ihr bockbeiniges Spiel auf dem belebten Gutshof. Die noch feuchten Haare hatte Marie nach einem Bad lose aufgesteckt und fühlte sich wie befreit in ihrem schmucklosen Kleid. Auf Reifrock und Steißrolle hatte sie verzichtet, um bei der Arbeit im Turm beweglicher zu sein, denn Els übernahm zwar die Reinigungsarbeiten, doch die Gerätschaften des Laboratoriums, Bücher und alles Wertvolle wollte sie selbst ordnen. Bevor sie damit beginnen konnte, hatte sie allerdings Verschiedenes mit Albrecht zu besprechen.
    Als sie um die Ecke des Wohntrakts im ersten Stock bog, kam es zur befürchteten und unvermeidlichen Konfrontation mit ihrer Schwägerin. Eugenia stand kerzengerade in ihrem schwarzen Kleid an der Treppe, das Kinn auf dem gestärkten weißen Kragen, die boshaften Augen auf sie geheftet, und richtete den Zeigefinger auf sie. Pater Hauchegger stand mit selbstgerechter Miene neben ihr, gefolgt von Ursel und den Töchtern, deren hämische Grimassen nichts Gutes verhießen. Absurderweise ging ihr bei diesem Anblick eine Zeile aus Dante Alighieris »Göttlicher Komödie« durch den Kopf. »Und wie an eines Tümpels Rand die Frösche gerad das Maul noch über Wasser halten … so hockten da und dort herum die Sünder.« Marie setzte ein erwartungsvolles Lächeln auf.
    »Was hat sie gesagt?«, zischte Eugenia.
    »Gott zum Gruße. Es ist eine Freude, Euch wohlauf zu treffen«, sagte Marie beim Nähertreten.
    »Unverschämt ist sie auch noch!« Empört stemmte Eugenia die Hände in die Hüften. »Dass Ihr es überhaupt wagt! Pater, sagt doch etwas!«
    Der Jesuit, der seit ihrem letzten Besuch an Leibesfülle zugenommen hatte, schürzte die Lippen, bevor er gewichtig anhub: »Im Namen der Barmherzigkeit, man soll niemanden verurteilen, bevor nicht die Tatsachen zu Tage liegen. Die arme Schwester Berthe ist zutiefst betroffen über Eure ungerechtfertigten Anschuldigungen! Wie konntet Ihr diese reine Seele nur derartig verletzen? Das hat sie wahrhaftig nicht verdient und …«
    Die Mädchen streckten Marie heimlich die Zunge heraus und wurden dafür von Ursel an den Zöpfen gerissen.
    »Euch gegenüber habe ich gar nichts zu sagen. Außer vielleicht, dass Berthe alles andere als barmherzig ist, und das erkläre ich jetzt meinem Bruder. Mit Verlaub!«
    Albrecht stand mit finsterer Miene im Hof und tätschelte die Flanke seines Reitpferds, eines achtjährigen Grauen, den er selbst eingeritten hatte. »Was wollt Ihr schon hier? Habt Ihr nicht genug mit dem Alten zu tun?«
    »Darüber möchte ich mit Euch sprechen, Albrecht, und über den Körber Vath, der meine Reisekiste

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