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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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Marie.
    Erschrocken fuhr die Frau herum, die ihr zwanzigstes Jahr erreicht haben mochte. Sie drehte das Gesicht seitlich, doch Marie hatte die vernarbte Wange bereits gesehen. »Ja«, flüsterte sie kaum hörbar und senkte den Blick.
    »Wie ist dein Name?«
    »Els.«
    »Was hast du bisher getan, Els?«
    Sie legte eine Hand schützend auf die rote Narbe. Ihre ebenfalls mit Narben bedeckten Hände wirkten trotz des zarten Körpers kräftig, das einfache, mehrfach geflickte Kleid reinlich. Weißblondes Haar fiel ihr in glatten Strähnen über die Stirn. »Ich habe meinen Eltern das Haus geführt, bis das schreckliche Feuer alles niedergebrannt hat. Alle sind gestorben, meine Brüder und meine kleine Schwester.«
    »Wo war das?«
    »Ein Weiler bei Zangberg, Herrin. Es war wie eine Heimsuchung! Keiner weiß, wie es passiert ist, ob es im Stall angefangen hat oder womöglich die Kohlenpfanne im Haus umgestürzt ist. Eines Nachts höre ich den Esel schreien und rieche den Rauch, und dann brennt alles lichterloh …« Els presste den Ärmel ihres verblichenen Kleides gegen die Augen.
    »Das tut mir sehr leid, Els.« Es kam nicht selten vor, dass Menschen im Schlaf verbrannten, wenn Funken aus der Feuerstelle sprangen und die zum Großteil aus Holz errichteten Häuser und Hütten in verheerenden Feuersbrünsten innerhalb kürzester Zeit in Schutt und Asche legten.
    Els schniefte, fasste sich und schüttelte den Kopf. »Am Tag vorher hatten wir die Rückkehr meines Bruders aus Odelzhausen gefeiert, wo er bei einem Schmied gelernt hat. Die Männer haben alle viel Bier getrunken und sind deshalb nicht rechtzeitig aufgewacht. Ach Gott, das Elend …« Die junge Frau schluckte mehrfach.
    »Meine Mutter hat sich noch zwei Tage gequält, bevor der Herrgott sie von ihrem Leid erlöst hat. Ich habe zur Heiligen Jungfrau gebetet, dass sie nicht weiter leiden soll. So was kann kein Mensch ertragen.« Els betrachtete ihre vernarbten Hände und steckte sie unter ihre Schürze. »Der Forellenhannes und seine Familie haben mir geholfen, und als sie alle ein christliches Grab gefunden hatten, bin ich nach Kraiberg zum Veit. Er ist der älteste Bruder meiner seligen Mutter.«
    Das Schicksal der jungen Frau rührte Marie, und sie mochte die ruhige Art von Els. »Kannst du lesen und schreiben?«
    »Nein.«
    »Nähen?«
    »Ja, und alles, was im Haus anfällt.« Els sah sie hoffnungsvoll an.
    »Du könntest mir hier helfen, meine Kleider flicken und mir im Turm zur Hand gehen. Der Herr von Kraiberg ist krank.«
    »Zur Schule konnte ich nicht, aber mit Kräutern kenne ich mich aus. Alle in meiner Familie wissen davon.«
    Marie meinte, sich an den wortkargen Pferdeknecht zu erinnern, der schon zu Lebzeiten ihres Vaters die Tiere kuriert hatte. »Gut. Ich werde fürs Erste in den Turm ziehen. Beginnen wir mit dem Bettzeug.«
    Els sagte nichts und zeigte auch keine Furcht, was Marie darauf zurückführte, dass die Frau während ihrer kurzen Zeit auf dem Gut noch keine Gerüchte über Remigius’ Turm gehört hatte.
    Über dem Laboratorium befand sich ein kleiner Raum, den Remigius normalerweise als Schlafraum nutzte. Dort wollte Marie nächtigen, solange der Alte ihre Hilfe benötigte. Sobald sie mit Els, welche einen Eimer und ein Wäschebündel trug, auf den Korridor trat, hielt sie nach der ungeliebten Schwägerin Ausschau, sah gerade noch Ursel in einem Zimmer verschwinden und trieb Els zur Eile an. »Rasch! Das Jüngste Gericht wird eben zusammengerufen.«
    Els schaute sie neugierig an, sagte aber kein Wort. Folgsam tat sie, was Marie anordnete, und schien weder Angst vor den merkwürdigen Apparaturen des Laboratoriums noch vor den exotischen Gegenständen aus Remigius’ Sammlung zu haben. Marie schickte Els zuerst nach oben in die winzige Schlafkammer, in der sie bald erholsamen Schlaf zu finden hoffte. Je länger sie auf den Beinen war, desto schwerer fiel es ihr, wach zu bleiben. Für heute würde sie Remigius in seinem verdreckten Chaos belassen. Erschöpft sank sie auf den Schemel neben seinem Bett und streichelte die magere Hand des Schlafenden.
    Er schien jedoch nur gedöst zu haben, denn sofort öffnete er die Augen. »Geht schlafen, Marie. Morgen, wir sprechen morgen.«
    »Es ist so viel geschehen, Oheim.« Sie rieb sich die Augen. »Albrecht sagt, Zeiner war hier, und der Bezoar ist fort?«
    Remigius winkte ab. »Er hat mir einhundert Gulden dafür gezahlt, die ich Albrecht gegeben habe.«
    »Das hat er mir nicht gesagt!«
    »Ich will

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