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Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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aufhalten. Yu wies die beiden Beamten vor der Tür des Ballsaals an, hineinzugehen und Qi bei der Suche zu unterstützen.
    Liao war inzwischen zum Überwachungsraum gerannt. Der dortige Sicherheitsdienst war durch einen Polizisten verstärkt worden.
    Doch schon nach fünf Minuten sah Yu ihn kopfschüttelnd wieder herauskommen. Auf der Videoaufzeichnung vom Haupteingang war keine Spur von Hong. Die Beamten aus dem Ballsaal meldeten, sie hätten dort vergeblich alles abgesucht. Hong schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
    Es mußte etwas Fürchterliches passiert sein.
    Etwa fünfunddreißig Minuten waren verstrichen, seit Qi Hongs Abwesenheit bemerkt hatte.
    Yu ordnete die unverzügliche Sperrung des Haupteingangs an. Dies war nicht der Moment, sich Gedanken über Reaktionen der Öffentlichkeit zu machen. Liao forderte Verstärkung an, dann ließ er den Ballsaal räumen.
    Die Polizisten stürmten in das Gebäude und kontrollierten jeden Gast, der den Saal verließ. Hong war nicht darunter.
    Auch als der Saal schließlich leer war, ein verlassenes Schachtfeld voll verstreuter Pappbecher und Flaschen, fanden sie keine Spur von ihr.
    »Wo kann sie bloß sein?« fragte Qi verzweifelt.
    Die Antwort hallte laut und klar im Kopf eines jeden wider.
    »Wie zum Teufel ist er uns entwischt?« sinnierte Liao. »Noch dazu in Begleitung von Hong.«
    »Hier!« rief Qi plötzlich und deutete auf eine Tür in einem Kabinett hinter der Bar. Die Tür war vom Saal aus kaum sichtbar; man sah sie nur, wenn man hinter der Theke stand.
    Mit wenigen Schritten war Yu dort und stieß die Tür auf. Vor ihm lag ein Korridor, um die Ecke ein Aufzug.
    »Er muß sie durch diese Tür und mit Hilfe des Aufzugs weggebracht haben. Dann sind sie durch den Seiteneingang hinaus …« Liaos Stimme klang heiser. »Aber da hätten ihn unsere Leute doch sehen und aufhalten müssen.«
    »Unmöglich …«, sagte Yu noch, als ihn eine böse Vorahnung beschlich. »Verdammt! Durchsucht alle Hotelzimmer!«
    Die Rezeption stellte sofort das Belegbuch zur Verfügung. Für diese Nacht waren fünfunddreißig Gäste verzeichnet. Der Liste folgend, klopften die Polizisten an alle Türen. Bei der dritten Tür erhielten sie keine Antwort. Laut Belegbuch war das Zimmer von einem einzelnen Gast nur für diesen Tag gebucht worden. Der Etagenkellner zog einen Schlüssel hervor und öffnete. Was sie dort sahen, bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen. Der Raum war leer, nur Hongs Kleider lagen verstreut auf dem Boden: der rosa qipao , BH und Slip. Die hochhackigen Schuhe in der Ecke schienen eine tödliche Stille zu verbreiten.
    Der Mörder mußte sie in dieses Zimmer gezerrt haben, wo er sie wie die anderen Opfer entkleidet und ihr den roten qipao übergestreift hatte. Dann hatte er sie hinausgetragen.
    Erneut sahen sie sich das Überwachungsvideo an. Diesmal bemerkten sie etwas, was sie beim erstenmal zwar gesehen, aber nicht verdächtig gefunden hatten. Ein Mann stützte einen anderen, während sie eilig das Gebäude verließen. Beide trugen die Uniform des Hotels und die dazugehörigen Kappen. Der Mann war schätzungsweise Ende Dreißig oder Anfang Vierzig, doch da er sich die Kappe tief über die Stirn gezogen hatte und eine Brille mit bernsteinfarbenen Gläsern trug, konnte man sein Gesicht nicht deutlich erkennen. Bei der anderen Person konnte es sich auch um eine Frau handeln; eine schwarze Haarsträhne blitzte unter der Kappe hervor, und sie lehnte sich, vielleicht weil sie krank war, an die Schulter des Mannes.
    Der eilends herbeigerufene Geschäftsführer bestätigte, daß die beiden nicht in seinem Hotel angestellt seien.
    Der Mörder hatte also unter falschem Namen ein Zimmer gemietet, Hong gewaltsam dorthin entführt und sie, nachdem er ihr die Uniform angezogen hatte, nach draußen gebracht. Von dort aus hatte er sie vermutlich in ein Taxi oder einen bereitstehenden Wagen verfrachtet. Auf dem Video konnte man erkennen, daß Hong zu diesem Zeitpunkt offenbar bewußtlos war. Sie war überwältigt worden, ohne daß ihr Zeit geblieben wäre, die Kollegen zu verständigen. Die Beamten in Zivil, die draußen postiert waren, hatten nichts von alldem bemerkt.
    Sofort wurde bei allen Nachbarschaftskomitees und Taxiunternehmen nachgefragt, ob jemand zwei Personen in Hoteluniform, eine davon vermutlich bewußtlos, gesehen habe.
    Parteisekretär Li brüllte in die Telefone und hastete fluchend in seinem Büro hin und her wie eine Ameise im heißen Wok. Trotz seiner

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