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Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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gefaltet, nahm sie gegenüber dem Schreibtisch Platz. In ihrem Kleid mit Spaghettiträgern und hohen Seitenschlitzen sah sie aus wie ein junges Mädchen. Make-up brauchte sie nicht, ihr frischer Teint leuchtete im Morgenlicht.
    »Ich möchte vorausschicken, daß dieser Einsatz freiwillig ist«, begann Liao und schob ihr den Zeitungsausschnitt hin. »Im Gegensatz zu Ihren bisherigen Aktivitäten ist das kein Auftrag. Sie können immer noch ablehnen. Obwohl Sie natürlich bestens geeignet sind für diese Aufgabe.«
    Sie warf einen Blick auf die Anzeige, schob sich dann eine Haarsträhne aus dem Gesicht und nickte. Ihr schwarzer Pony fiel sofort wieder mit sanfter Bewegung zurück über die gewölbten Augenbrauen.
    »Sollten Sie heute abend ins Joy Gate gehen«, fuhr Liao fort, »dann werden natürlich auch wir dort sein. Sobald er sich Ihnen nähert, geben Sie uns ein Signal.«
    »Und woher weiß ich, daß er es ist? Solche Männerverhalten sich einem Mädchen gegenüber alle gleich.«
    »Ich glaube nicht, daß er innerhalb des Clubs einen Übergriff wagt. Er muß Sie weglocken. Sobald jemand das versucht, alarmieren Sie uns. Wir werden auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.«
    Ihnen würde nur ein halber Tag Zeit bleiben, überlegte Yu, nicht genug, um sich auf diesen Einsatz vorzubereiten. Allein Hong schien, dank ihrer vorangegangenen Erfahrung, kein Problem mit dieser Rolle zu haben.
    »Ziehen wir es durch«, sagte Li. »Ich werde heute abend im Büro bleiben. Halten Sie mich über die Operation auf dem laufenden.«
    Hong nahm ein Taxi nach Hause, während Yu und Liao in einem Lieferwagen mit der Aufschrift »Heiz- und Kühlsysteme«, der ihnen auch als mobiles Einsatzzentrum dienen würde, zum Joy Gate fuhren. Weitere Kollegen sollten folgen.
    Für den Fall, daß der Mörder mit Angestellten des Etablissements unter einer Decke steckte, gaben sie ihre Identität nicht preis, sondern sahen sich zunächst einmal wie normale Besucher um.
    Dem bunten Prospekt, den Yu am Eingang mitnahm, entnahmen sie, daß auf den ersten drei Etagen des Gebäudes ausschließlich getanzt wurde. Es gab dort Ballsäle verschiedener Größe mit unterschiedlichen Angeboten, darunter weibliche und männliche »Taxitänzer« in mehreren Preisklassen. Zusätzlich zum Eintrittspreis wurde nach einem Gebührensystem abgerechnet. Die Grundeinheit bildete ein Tanz, der zwischen fünfundzwanzig und fünfzig Yuan kostete, dazu kamen die Trinkgelder.
    »Abgesehen von diesen professionellen Tanzpartnern«, erklärte Liao, »gibt es auch noch ›Tanzmädchen‹, die ihr Geld weniger mit Tanzen, als vielmehr mit den nachfolgenden Dienstleistungen verdienen.«
    Jetzt, am frühen Nachmittag, hatte nur der erste Stock geöffnet. Entlang der Wände des Ballsaals standen Tische aufgereiht, vorne war eine Bühne, auf der gerade eine Sängerin im schrillgemusterten qipao , begleitet von einer kleinen Kapelle, auftrat. Die farbigen Neonlichter hüllten die Szene in eine Aura nostalgischer, goldverbrämter Träume. Die meisten Tänzer waren mittleren Alters, auch die Profis entsprachen dieser Altersgruppe.
    »Um diese Tageszeit ist es noch relativ preisgünstig«, bemerkte Liao, der die Preisliste im Prospekt studiert hatte.
    Die Nachmittagsgäste konnten bis sieben Uhr tanzen. Die anschließenden Abendveranstaltungen fanden in den oberen Stockwerken statt. Für den dritten Stock war eine Darbietung mit russischen Tänzerinnen angekündigt, die sicherlich viele Gäste besuchen würden. Die Beamten mußten sich also vornehmlich auf den zweiten Stock konzentrieren. Auf der vierten und fünften Etage befanden sich zahlreiche Hotelzimmer.
    »Wer übernachtet denn hierbei dieser lauten Musik?« wunderte sich Yu.
    »Nun, die Lage ist nicht schlecht«, entgegnete Liao. »Manche Gäste gehen tanzen und nehmen sich anschließend ein Mädchen mit aufs Zimmer.«
    Die Besucher der Ballsäle wie auch die Hotelgäste mußten den Haupteingang an der Huashan Lu benutzen. Dort war bereits eine Überwachungskamera installiert.
    Als sie sich wieder in ihren Lieferwagen begaben, hatten sich dort auch Hong und einige weitere Beamte eingefunden. Man plante den abendlichen Einsatz.
    Hong würde in einem rosafarbenen qipao den Ballsaal auf der zweiten Etage besuchen, ausgerüstet mit einem speziell programmierten Mini-Mobiltelefon. Die Berührung eines bestimmten Knopfes löste bei den Kollegen draußen Alarm aus; drückte sie einen weiteren Knopf, so würden sie den Saal

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