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Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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Fundort.«
    Noch immer keine Entgegnung. Li schnaufte hörbar; seine großen Tränensäcke wirkten in der unheilschwangeren Stille noch gewichtiger.
    »Irgendwelche Fortschritte?« wandte Yu sich jetzt direkt an Liao.
    »Fortschritte?« knurrte Li. »Wir haben eine zweite Leiche im roten qipao . Sie wurde heute morgen gefunden.«
    »Ein neues Opfer? Wo?«
    »Vor dem Zeitungsschaukasten am Tor Nummer Eins des Volksparks, an der Nanjing Lu.«
    »Das ist ja unerhört – mitten im Stadtzentrum«, sagte Yu. Vor den Schaukästen an der Mauer des Parks fanden sich im Tagesverlauf zahlreiche Menschen ein, um die aktuelle Zeitung zu lesen. »Eine gezielte Provokation.«
    »Wir haben beide Opfer miteinander verglichen«, sagte Liao. »Es gibt da eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten, vor allem natürlich den roten qipao . Material und Schnitt sind identisch.«
    »Die Medien werden ihre Freude haben«, bemerkte Li, denn gerade wurde ein Stapel Zeitungen hereingereicht.
    Yu griff nach der neuesten Ausgabe der Befreiung ; auf dem Titelblatt prangte das Bild einer jungen Frau im roten qipao , die unter dem Schaukasten lag.
    »Shanghais erster Seriensexmörder«, las Liao vor. »Der rote qipao ist bereits zum Markenzeichen geworden. Die Spekulationen schießen ins Kraut. Die Stadt bebt vor Erregung …«
    »Diese Journalisten sind ja verrückt«, unterbrach ihn Li. »Treten eine Lawine von Artikeln und Bildreportagen los, als gäbe es nichts anderes zu berichten.«
    Lis Frustration war verständlich. Shanghai war für die Effizienz seiner Stadtregierung ebenso bekannt wie für seine niedrige Verbrechensrate. Nicht daß es in der Stadt keine Serienmorde gegeben hätte, aber die strenge Medienkontrolle hatte eine Berichterstattung bislang erfolgreich verhindern können. Ein solcher Fall würde ein schlechtes Licht auf die lokalen Polizeikräfte werfen, was die staatlichen Medien natürlich zu vermeiden suchten. Seit Mitte der Neunziger hatte die Situation sich verändert: Auch Zeitungen mußten um Wirtschaftlichkeit bemüht sein, weshalb sich die Journalisten um Sensationsberichte rissen und die Medienkontrolle längst nicht mehr so wirkungsvoll war wie früher.
    »Heutzutage, wo Buchhandlungen und Fernsehprogramme von westlichen Krimis überschwemmt werden – einige davon in der Übersetzung unseres Oberinspektors –, wollen auch die Journalisten in ihren Kolumnen Sherlock Holmes spielen. Hier, sehen Sie sich die Schlagzeile in der Wenhui Tageszeitung an. Man sagt uns bereits den Zeitpunkt des nächsten Mordes voraus: ›Weiteres Opfer im roten qipao für nächsten Freitag zu erwarten.‹«
    »Es ist doch allgemein bekannt«, bemerkte Yu, »daß Serienmörder in regelmäßigen Intervallen zuschlagen. Wenn er nicht gefaßt wird, macht er womöglich sein Leben lang so weiter. Chen hat mal ein Buch mit einem Serienmörder übersetzt. Vielleicht sollten wir mit ihm sprechen …«
    »Ach was, Serienmörder!« Schon der Begriff schien Li zur Weißglut zu bringen. »Haben Sie vielleicht mit Ihrem Vorgesetzten gesprochen? Ich bezweifle das. Der ist doch viel zu beschäftigt mit seinen literarischen Essays.«
    Das Verhältnis zwischen Chen und Li war noch nie besonders gut gewesen. Yu hielt sich wohlweislich zurück.
    »Keine Sorge«, kommentierte Liao sarkastisch. »Die Leute werden auch ohne Metzger Zhang Schweinefleisch auf dem Teller haben.«
    »Diese Morde sind eine Ohrfeige für das Präsidium: ›Seht her, ich hab’s ein zweites Mal geschafft!‹« erregte sich Li. »Der Klassenfeind versucht die Fortschritte unserer Reformpolitik zu sabotieren. Indem er Panik unter den Menschen verbreitet, möchte er die soziale Stabilität aushebeln. Wir müssen uns bei den Ermittlungen auf jene konzentrieren, die einen tiefsitzenden Haß gegen die Regierung hegen.«
    Lis Logik war noch immer von Maos Kleinem Rotem Buch beeinflußt, dachte Yu. In seinen Augen konnte jeder ein sogenannter Klassenfeind sein. Der Parteisekretär war bekannt dafür, daß er Mordfälle auf der Basis politischer Theorie lösen wollte. Der führende Parteikader des Präsidiums hielt sich zugleich für einen genialen Ermittler.
    »Ein Verbrecher braucht zunächst mal einen Tatort … vermutlich seine Wohnung«, sagte Liao. »Die Nachbarn könnten etwas bemerkt haben.«
    »Ja, alarmieren Sie sämtliche Nachbarschaftskomitees, vor allem im Umkreis der beiden Fundorte. Gemäß dem Großen Vorsitzenden sollen wir uns auf die Hilfe der Massen verlassen, so auch jetzt, wo es

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