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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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Und wenn er nicht gestorben ist, so fristet er dort noch heute sein Dasein. Guten Appetit«, schloss ich.
    »Guten Appetit.« Wir griffen zu Messer und Gabel und widmeten uns ganz der Vorspeise. Maren verdrehte verzückt die Augen. »Es ist wirklich köstlich. Ich weiß nicht, ob der Inder das toppen wird.«
    Sie sprach bereits so, als wäre es beschlossene Sache, dass wir uns wiedersehen würden.
    Und auch ich hatte es so beschlossen. Eine Frau wie sie würde ich nicht wieder ziehen lassen. Zumindest nicht, ohne ausprobiert zu haben, ob minus mal minus nicht plus ergab.
    Ich konnte nicht ahnen, dass dieser Abend der letzte sein sollte, an dem ich glücklich und zufrieden war.
    Hätte ich es geahnt, ich hätte Maren in ein Auto gezerrt und wäre mit ihr ans Ende der Welt geflüchtet.
    So aber nahm das Grauen seinen Lauf. Es kam nicht von außerhalb. Und nicht so unvermittelt, wie es schien. Denn es war schon längst da.

II. N ACHSTELLUNG
    Das Feuer brennt,
    das Feuer nennt
    die Luft sein Schwesternelement
    und frisst sie doch (samt dem Ozon)!
    Das ist die Liebe, lieber Sohn!
    (Christian Morgenstern)
    Der Dicke klatschte die ALDI-Tüte auf den Küchentisch. Irgendetwas Matschiges war darin.
    »Schau rein!«, verlangte er.
    Der alte Mann am anderen Ende des Küchentisches verzog angeekelt das Gesicht. »Der Gestank reicht mir. Hau ab damit.«
    »Du wolltest, dass ich ihn ausgrabe.«
    »Nicht für mich, das weißt du. Bring ihn ihm! Ich will nichts damit zu tun haben.«
    Der Dicke mit der Tüte feixte. »Mir egal. Ihr habt es beide nicht fertiggebracht. Ihr seid zu feige. Ihr brauchtet mich dazu. Sag mal, was hat er eigentlich vor mit der Rübe?«
    Der Ältere zuckte die Schultern. »Weiß nicht. Am besten fragst du auch nicht danach. Bring ihm einfach die Tüte und ...«
    »Nein, ich will, dass du vorher reinguckst!«
    »Spinnst du? Was fällt dir ein, irgendwelche Forderungen zu stellen?«
    »Hol ihn raus!«
    Das Funkeln in den Augen des Dicken gefiel dem alten Mann nicht. Mein Gott, wieso hatte er nie bemerkt, dass er es mit einem Verrückten zu tun hatte?
    »Ich denke nicht daran. Hau endlich ab. Die ganze Bude stinkt schon!«
    Der Dicke grinste noch breiter. »Ja, der lag kaum in der Erde, da haben ihn schon die Würmer angeknabbert. Sieht aus wie eine Halloweenmaske. Oder wie eine von den Rüben, die wir früher als Kinder ausgehöhlt haben. Wir haben Gesichter reingeschnitzt und eine Kerze reingestellt ...«
    »Bring ihm das Scheißding. Aber schaff es endlich aus der Küche!« Der alte Mann schrie fast. Aber in der Stimme lag keine Autorität. Sie zitterte.
    »Die Käfer haben ihm die Nase weggefressen. Und die Ohren. Und sie haben sich durch die Augen nach innen gefressen.« Er gab ein Glucksen von sich. »Was meinst du, sollen wir mal versuchen, ob wir auch eine Kerze da reinstellen? Unser großer Boss wird Augen machen, wenn ich ihm einen leuchtenden Kopf vors Fenster stelle. Der pisst sich in die Hosen!«
    »Der nicht. Schaff es jetzt weg!«
    »Erst wenn du ihn dir angeschaut hast. War gar nicht so einfach, ihn abzuschlagen. Die Axt war nicht mehr richtig scharf, weißt du?«
    »Mir brauchst du keine Details zu erzählen, erzähl sie ihm.«
    »Erst wenn du ihn dir angeguckt hast. Es kleben sogar noch Schnecken daran, guck mal! Schließlich lag er ein paar Wochen in der Erde ...« Der Dicke kicherte.
    »Will ich nicht wissen. Unser Freund wird bestimmt ungeduldig, wenn du ihm die Tüte nicht bald bringst. Er hat schon angerufen.«
    »Jetzt lügst du doch!«
    Der alte Mann beugte sich vor. Er lüftete die Tüte und tat, als ob er hineinschaute. In Wirklichkeit schloss er die Augen. Der Gestank verursachte ihm Brechreiz. Wahrscheinlich würde er in dieser Küche nie wieder kochen können. Geschweige denn etwas zu sich nehmen.
    »Komm, guck richtig!«, verlangte der Dicke.
    »Ich guck doch richtig!« Der alte Mann schrie fast.
    »Pass auf, ich würd’s ja auskippen, aber ich hab’ Angst, dass da zu viel rausläuft. Das Fleisch ist auch schon ganz wabbelig, wie Wackelpudding. Hinterher zerläuft er auf dem Tisch.«
    »Genau, und deshalb wirst du ihn jetzt wieder mitnehmen!«
    »Erst wenn du ihn dir angeschaut hast.«
    Der Ältere registrierte abermals das Funkeln in den Augen des Dicken. Er konnte nicht recht glauben, was er darin sah. Es war der blanke Wahnsinn. Und er wusste, dass der Jüngere nicht eher gehen würde, als bis er in die Tüte hineingeschaut hatte.
    Wirklich hineingeschaut.
    »Also gut, ich

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