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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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Sie, ein Tag, der mit der Stimme eines Engels verkündet wird, muss kulinarisch entsprechend gewürdigt werden. Der Earl Grey ist erstklassig«, schwärmte Ollie. »Den müssen Sie kosten. Ich habe ihn in der Feinkostabteilung bei Harrod’s erstanden.«
    »Gern«, sagte ich. »Allerdings, mein Lieber, haben Sie meine Frage noch nicht beantwortet: Warum soll ich Sie in die Höhle des Löwen begleiten?«
    Ollie schaufelte sich Schinken, Eier, Würstchen und eine undefinierbare Masse, die sich Hash Browns nannte, auf den Teller. Erst danach bequemte er sich zu einer Antwort: »Sollte die Lady ebenso aussehen, wie ihre Stimme verheißt, benötige ich Ihre Hilfe. Sie müssen mich dann augenblicklich stoppen, wenn ich unsinnige Dinge von mir gebe.«
    »Unsinnige Dinge?« Ich besah mir die angeschmorten braunen Klumpen, die das Stillleben ein wenig in seiner Schönheit trübten, und beschränkte mich auf Speck, Eier und Würstchen. Ach ja, da war ja noch etwas.
    »Unsinnige Dinge?«, wiederholte ich.
    In der darauf einsetzenden Stille hörte man nur Lunas Schmatzen unter dem Tisch. Ich hatte ihr heimlich etwas Speck zugeführt. »Also: Wie war das mit den unsinnigen Dingen?«, fragte ich erneut.
    »Der junge Herr war bereits drei Mal verheiratet«, krächzte die Gräfin.
    »Und es waren allesamt wunderschöne Frauen mit einer wunderschönen Stimme«, ergänzte Ollie.
    »Aber was beklagen Sie sich? Das ist doch herrlich! Andere Jungs in Ihrem Alter haben noch nicht einmal eine Freundin!«
    »Ich habe Ihnen bisher nicht die ganze Wahrheit erzählt.«
    »Einem Freund sollte man vertrauen.«
    »Deswegen bin ich auch untröstlich. Ich schäme mich. Es ist nicht so, dass ich mein ganzes Geld während der Krise verloren habe. Zumindest nicht während der Finanzkrise. Sondern im Zuge zweier Ehekrisen. Als Tante Agatha und Tante Eugenia starben, hinterließen Sie mir ein kleines Vermögen.««Sagen Sie jetzt nicht, Sie haben es an eine Thailänderin verloren wie Ihr Großonkel.«
    »An eine Afrikanerin. Sibongile hieß sie. Sie war jung und hübsch und hatte den Körper einer Gazelle. Sie studierte in Oxford Afrikanistik. Ich lernte sie auf einer Party kennen und bewunderte ihren leidenschaftlichen Tanz. Die Verlobung fand noch in derselben Nacht statt. Zur Hochzeit flogen wir bereits eine Woche später in ihr Heimatdorf. Ihr Vater war sogar der Stammeshäuptling. Insofern, so wurde mir bedeutet, würde die Ablösesumme nicht ganz niedrig sein.«
    »Ablösesumme?«
    »Sie nannten es natürlich anders. So etwas wie ein Brautgeschenk, ein Geschenk an den Vater der Braut, ein Geschenk an die Mutter der Braut und so weiter. Ich glaube, der ganze Kral bekam irgendein Geschenk. Der Medizinmann hat uns getraut. Nach der Hochzeitszeremonie, an die ich mich kaum erinnere, weil eine Menge Kräuterdrogen im Spiel waren, musste ich wieder nach Oxford zurück. Ich konnte es mir nicht erlauben, wichtige Kurse zu verpassen. Sibongile versprach, in den nächsten Tagen nachzukommen ...«
    »Lassen Sie mich raten«, sagte ich, während ich geschickt einen Toast mit Rührei beschichtete. »Sie warten bis heute auf sie?«
    Ollie nickte. »Natürlich war die Hochzeit nicht rechtsgültig. Aber das Geld war futsch.«
    »Und das Ganze haben Sie noch zwei Mal erlebt.«
    Ollie nickte zerknirscht. »Die Einzelheiten möchte ich Ihnen ersparen. Meine dritte Ehefrau war ein heißblütiges Yupik-Mädchen in meinem Alter ...«
    »Sie meinen Yuppie?«
    »Nein, ich meine Yupik. Es handelt sich um eine arktische Volksgruppe, die zu den Eskimo gehört. Bis zu meiner Heirat lebte der Nomadenstamm in Iglus, danach konnten sie sich beheizte Container leisten.«
    Manch falscher Schritt wird getan, indem man stehen bleibt.
    Aber manchmal ist die Alternative noch viel schlimmer.
    In dem Fall war es so.
    Viel, viel schlimmer.

8.
    Das Funkhaus lag am anderen Ende von Detmold. Wir mussten uns also erst durch den morgendlichen Verkehr der »Wunderschönen« quälen. Ich hatte mir zuvor nie Gedanken darüber gemacht, dass eine Rotphase von gefühlten zehn Minuten die Hölle sein kann. Zumal dann, wenn es nieselte, einem die Abgase das Atmen schwer machten und rechts und links hämische Gaffer auf einen herabstarrten.
    Ollie hatte nämlich darauf bestanden, dass wir mit seinem Morgan fuhren. Davon abgesehen, dass man als Beifahrer glaubte, direkt auf einem Presslufthammer zu sitzen, war Ollie noch nicht so ganz vertraut mit dem Rechtsverkehr auf Deutschlands Straßen. Gleich

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