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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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Höhepunkt der Rübenkampagne. Ansonsten wussten die meisten Lipper nicht, wie Stau überhaupt geschrieben wurde.
    Ein Polizist kam an unserem Wagen vorbei.
    »Unfall?«, fragte ich.
    »Nein, Demo«, antwortete er genauso kurz angebunden.
    Jetzt glaubte ich tatsächlich, ich träumte. Oder ich war in eine andere Zeit oder auf einen anderen Planeten gebeamt worden wie Captain Kirk. Denn auch das Wörtchen Demo war dem Lipper weitgehend unbekannt.
    »Was passiert hier?«, fragte Ollie verwirrt.
    »Ein Auflauf.«
    » A baked pudding?«
    » Nein, kein Pudding, eine Kundgebung.«
    » By gosh!«
    Ich wusste nicht, worauf er den Ausdruck der Verwunderung bezog, aber dann wies er nach vorn. Einige Leute gingen an der Wagenschlange entlang und verteilten Flugblätter.
    »Das muss eine Fata Morgana sein.« Ich schloss die Augen und öffnete sie wieder, aber das Bild verschwand nicht. Es war die Gräfin.
    »Tante Liza!«, rief Ollie verwirrt. Also hatten wir dieselbe Vision.
    Sie hatte sich in Schale geschmissen und verteilte Flugblätter. Vielleicht waren wir ohne es zu merken von Außerirdischen in eine Parallelwelt entführt worden.
    »Nein, zwei«, antwortete Ollie.
    »Zwei was?«
    »Zwei Fata Morganas.«
    Jetzt sah ich ihn auch. Auf der anderen Seite der Wagenschlange hatten sich ebenfalls Demonstranten formiert. Darunter erkannte ich Duffy. Er trug einen leichten grauen Sommermantel. Ohne seine Butleruniform hätte ich ihn fast nicht erkannt. Wahrscheinlich trug er sie darunter.
    Die Gräfin war inzwischen herangekommen. Als sie uns erkannte, winkte sie uns erfreut zu. »Warum haben Sie nicht erzählt, dass Sie auch an der Demonstration teilnehmen werden?«, fragte sie empört. »Wir hätten gemeinsam fahren können.«
    »Wir kommen ja leider gar nicht durch.«
    »Oh, schwindeln Sie mich nicht an. Sie wollen gar nicht zur Demonstration!«
    »Um was geht es denn?«, fragte ich.
    »Es geht darum, die Gentechnik gnadenlos zu verhindern.«
    Das Wort gnadenlos wirkte seltsam unpassend aus dem Mund einer solch reizenden Dame. Es war mir bisher schwergefallen, sie mir außerhalb ihrer Teerunde vorzustellen.
    Nun lernte ich eine andere Seite von ihr kennen.
    »Hier, nehmen Sie schon ein Flugblatt!« Sie drückte mir eins in die Hand. »Wir müssen uns dagegen wehren, dass die Genrübe hier in unserem schönen Lippe angebaut werden soll.«
    »Genau! Es lebe unsere lippische Ananas!«, pflichtete ihr ein weiterer Demonstrant bei. Er hatte lange ungepflegte Haare und wirkte auf mich wie ein typischer Bummelstudent. Dafür hatte er sich, was die Rüben anging, agitatorisch mit Munition bewaffnet: »Drei Prozent der Saatguthersteller verfügen über neunzig Prozent des Saatgutmarktes! Wir müssen die grüne Gentechnik verhindern! Nieder mit unseren korrupten Politikern!«
    Er zog vorbei. Die Gräfin nickte weise. »Der Junge hat ja so recht. Wussten Sie, mein lieber Herr Moritz, dass in Duffys geliebten Kaugummis Aspartam enthalten ist? Das ist zweihundertmal süßer als Zucker, und es wird gentechnisch hergestellt. Das steht natürlich auf keiner Verpackung.««Das ist wirklich eine Riesensauerei!«, pflichtete ich ihr bei.
    »Nicht wahr? Nachdem ich das weiß, habe ich verlangt, dass Duffy ab sofort mit dem unnützen Kaugummikauen aufhört. Aber das ist erst der Anfang. Aspartam ist in neuntausend Lebensmitteln drin.«
    »Was ist denn so gefährlich an dem Zeug?«, fragte ich. Es interessierte mich wirklich.
    »Es setzt den Sättigungsmechanismus außer Kraft. Ist das nicht eine Schande? Und dann klagen der Gesundheitsminister und die Krankenkassen über zu viele Dickleibige in unserem Land.«
    Auch Duffy war inzwischen herangekommen. »Genrübenanbau gnadenlos verhindern«, plapperte er pflichtschuldig nach. Er machte einen eher gequälten Eindruck. In der Menge schien er sich alles andere als wohlzufühlen. Ich roch seinen dezenten Pfefferminzatem. So ganz schien die Gräfin ihn noch nicht überzeugt zu haben.
    »Wir müssen weiter. Kommen Sie, Duffy, wir haben noch einige Flugblätter zu verteilen!«
    Duffy gehorchte augenrollend.
    »Ich habe ein schlechtes Gewissen«, erklärte Ollie. »Meinen Sie nicht, wir sollten die beiden alten Herrschaften unterstützen?«
    »Ich glaube, wir lassen sie besser allein. Wir unterstützen sie, indem wir das nächste Mal den Abwasch erledigen.«
    »Eine gute Idee, da bin ich sehr froh. Aber sagen Sie, was haben die Leute hier gegen Genrüben einzuwenden?«
    Ich holte tief Luft und setzte zu

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