Blut und Silber
und den Rotschopf nicht verraten. Aber der Bursche war gewitzt. Sobald er sein Publikum los war, würde er kommen.
Herrmann wurde aschfahl, als er Christians Neuigkeiten hörte.
»Claus!«, stöhnte er und sprach hastig ein Gebet für das Seelenheil des Toten. Auch wenn er wusste, dass erbarmungslose Folter jeden brechen konnte, fühlte er statt Trauer vor allem Wut über den Verrat.
»Hat er auch verraten, woher die falschen Soldaten kommen? Wenn unsere Leute in Rochlitz auffliegen und geschnappt werden … Vielleicht sind sie schon längst gefangen oder tot!«
»Ich sag dir doch:
Er weiß es nicht!
«
Christian musste sich zusammenreißen, den Älteren nicht anzubrüllen, so sehr hatten ihn die schlechten Neuigkeiten aus der Fassung gebracht. »Überlegt lieber, wie wir den Hauptmann jetzt da rausholen! Wir brauchen einen neuen Plan.«
»Im Moment können wir gar nichts für meinen Bruder tun«, widersprach Jan dumpf. »Du hast es doch gehört: Sie warten nur darauf, dass sich irgendetwas auf dem Burghof tut. Sie würden ihn sofort töten – und uns wahrscheinlich auch.«
Er ließ den Kopf zwischen die Hände sinken.
»
Ich
hätte nach Rochlitz reiten müssen!«, sagte er verzweifelt. »Wir hätten erkennen müssen, dass Claus zu viel Angst hatte und bei Gefahr versagen würde …«
Er erhob sich mit einem Ruck und griff nach einem der Schwerter, die auf dem Boden lagen.
»Wohin willst du?«, fragte Herrmann streng.
»Nach Rochlitz. Sehen, ob noch etwas zu retten ist. Unsere Männer müssen dort weg. Sofern sie nicht schon entdeckt und längst tot sind«, antwortete Jan bitter.
Beschwichtigend legte ihm Herrmann die Hand auf die Schulter.
»Morgen früh. Es ist spät. Lass uns heute gemeinsam überlegen, was wir sonst noch tun können … Und bevor du aufbrichst, informiere Meister Marsilius, dass unser Plan aufgeflogen ist.«
»Ich gehe morgen wieder auf die Burg und sage dem Hauptmann, dass er noch eine Weile durchhalten muss«, meinte Christian niedergeschlagen.
Herrmann nickte müde und besorgt. »Wer weiß, wie lange er es noch schafft.«
Der Rotschopf ließ den Kopf hängen. »Er sieht furchtbar aus – so abgemagert. Er hält sich kaum noch aufrecht. Aber sie kriegen ihn nicht klein! Mal sehen, ob ich etwas tun kann, damit er bei Kräften bleibt.«
Schon entspann sich in seinem phantasievollen Gassenjungen- und Gauklerhirn eine Idee.
Wortlos saßen die drei noch eine ganze Weile beieinander, aber niemandem fiel ein erfolgversprechender Plan ein, wie sie ihren Hauptmann unter diesen Umständen befreien konnten.
Bevor sie sich schlafen legten, meinte Herrmann: »Findet ihr nicht auch, dass dieser Hurensohn von einem Apotheker endlich für seinen Verrat bezahlen sollte?«
Dass Jenzin Markus ausgeliefert hatte, hatte in der Stadt sofort die Runde gemacht. Sie hatten ihn bisher nur deshalb verschont, um nicht für Ärger
vor
Markus’ Befreiung zu sorgen. Doch das spielte jetzt keine Rolle mehr, da die Besatzer bereits auf ihren Angriff warteten.
Jan, der mit finsterer Miene auf einer der Kisten hockte und den Kopf wieder auf die Hände gestützt hatte, sah auf.
»Die Ratte ist überfällig«, meinte er hasserfüllt. »Aber sie werden Markus dafür büßen lassen.«
»Keine Sorge, ich richte es so ein, dass es nicht wie ein Racheakt aussieht.«
»Ich habe als Erster ein Anrecht darauf, meinen Bruder zu rächen!«, widersprach Jan heftig. Außerdem hatte er schon vor langer Zeit geschworen, Jenzin dafür bezahlen zu lassen, wie er mit Änne umgesprungen war – damals, in jener eiskalten Januarnacht, als Sibylla die Warnung vor dem Heer des Königs nach Freiberg brachte und er mit anhören musste, wie der Apotheker sein Mündel verprügelte.
»Du gehst nach Rochlitz! Das hat Vorrang«, erklärte Herrmann in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Und keine Sorge: Ich werde dem Pillendreher nicht das Lebenslicht ausblasen. Das überlasse ich dir. Nur das Fürchten soll er lernen. Du bekommst deine Rache, wenn dein Bruder frei ist.«
Herrmann blies das rußende Licht aus.
Jeder der drei im Versteck auf dem Speicherboden lag noch lange in der Dunkelheit wach und überlegte, wie er seinen Auftrag am besten erfüllen konnte.
»Ich habe ein Rezept und möchte Euch um einen Heiltrank gegen meinen Husten bitten, Meister Apotheker. Ich kann auch bezahlen!«
Mürrisch schaute Jenzin auf den graubärtigen Bergmann, der zusammengekrümmt, schmutzverschmiert und hustend vor
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