Blut und Silber
wälzten sich auf dem Boden, Ritter hasteten zu den Koppeln, teilweise nur im Gambeson, noch ohne Kettenhemd und Plattenpanzer. Etliche Zelte waren eingestürzt, unter den Leinwänden Begrabene versuchten, sich zu befreien.
Jetzt erst formierten sich die königlichen Bogenschützen. Augenblicke später scheute Ulrichs Pferd, weil ein Pfeil gegen den eisernen Stirnschutz geprallt war, fand aber rasch in seinen Tritt zurück. Dann war das gegnerische Lager erreicht.
Die Reiterformation gliederte sich auf. Nun musste sich jeder einzeln den Weg durch das Chaos bahnen und sich darauf verlassen, dass sein Pferd allen Hindernissen auswich.
Ulrichs Lanze splitterte; er warf den nutzlosen Rest weg und zog das Schwert für den Nahkampf.
Für den Bruchteil eines Momentes beneidete er Markus, der anstelle des ritterlichen Topfhelmes nur einen Kalottenhelm und Kinn- und Halsschutz aus Ringgeflecht trug. Volle Sicht zu haben schien ihm gerade mehr wert als der zusätzliche Schutz, den die eisernen Helmplatten boten. Doch darüber nachzudenken blieb keine Zeit.
Alles um ihn, was weiter als drei Schritt entfernt war, verschwamm, das Blut raste ihm durch die Adern, während seine Sinne ganz darauf gerichtet waren, feindlichen Klingen, Streitkolben, Spießen, Hufen auszuweichen und im Sattel zu bleiben, während er seinen Hengst durch das Getümmel vorwärtstrieb und immer wieder mit dem Schwert ausholte. Wenn sie diesen Angriff überleben wollten, durften sie nicht stehen bleiben.
In hohem Tempo schlugen sich die wettinischen Reiter durch die Reihen, um sie herum Kampfgebrüll, blitzende Waffen, schwirrende Pfeile, stürzende Pferde, Blut …
Bis sie das Lager durchquert hatten.
Ulrich blinzelte, um den Staub aus den Augen zu bekommen, und merkte jetzt erst, wie ihm der Schweiß an den Schläfen hinabrann.
Dicht gefolgt von den anderen Panzerreitern, galoppierte er zusammen mit Friedrich, Goldacker und Markus in einem weiten Bogen um das königliche Lager herum.
Nun formierten sich die Reiter in mehreren Reihen hintereinander und warteten auf das Signal für die nächste Attacke, die sie diesmal gemeinsam mit Diezmanns Männern führen würden.
»Sie greifen an? Haben die Wettiner den Verstand verloren?« Heinrich von Nortenberg starrte auf den jüngsten seiner Bannerführer, der völlig aufgelöst und offenkundig in aller Hast vom königlichen Lager zur Burg Breitenhain geritten war, um dem Statthalter Meldung zu machen. Er trug noch nicht einmal Kettenhemd und Plattenrock, sondern nur den halb geschlossenen Gambeson.
»Ja!«, bestätigte der Überbringer der Neuigkeit schwer atmend. »Wie aus dem Nichts sind sie aufgetaucht und sofort gegen uns geritten – als seien ihnen die Pferde durchgegangen.«
Heinrich von Nortenberg war normalerweise ein Mann von beträchtlicher Gelassenheit; sehnig und hochgewachsen, mit dunklem Haar, hätte er rein äußerlich Friedrichs Zwillingsbruder sein können. Jetzt allerdings war er doppelt erbost – dass ihn die Wettiner überrumpelt hatten und dass seine eigenen Männer so offenkundig versagten.
Wütend stemmte der Statthalter die Hände in die Seiten. »Das Pack hat sich von denen über den Haufen reiten lassen?«
Der junge Bannerführer zuckte zurück und kniete vorsichtshalber nieder – mit einiger Verspätung.
»Es … ging alles sehr schnell«, stammelte er, immer noch schwer atmend. »Inzwischen steht die Verteidigung sicher schon. Die Bogenschützen konnten etliche von denen aus dem Sattel schießen. Als ich losritt, um Euch zu informieren, war der erste Angriff bereits vorbei, sie sammelten sich zum zweiten …«
»Von wie vielen Gegnern reden wir?«, blaffte Nortenberg. »Die können doch nicht mehr als vier, fünf Dutzend Ritter aufbieten!«
»Das lässt sich nicht genau einschätzen, Herr«, beeilte sich der Ritter zu antworten. »Von der östlichen Flanke kamen vielleicht drei Dutzend gepanzerte Reiter unter meißnischem Banner, von Westen ebenso viele unter thüringischem. Das Fußvolk haben wir noch gar nicht zu sehen bekommen …«
»Wenn sie überhaupt welches haben außer ein paar Bauern und Lumpenpack, das sich in die Hosen scheißt, wenn es Mann gegen Mann geht«, knurrte Nortenberg und winkte seinen Knappen heran, um sich in die Rüstung helfen zu lassen. Um das Fußvolk machte er sich keine Sorgen; das waren keine ernstzunehmenden Gegner. Die würden schon davonrennen, wenn seine Männer in ihrer Nähe nur finster blinzelten.
Eigentlich
Weitere Kostenlose Bücher