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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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den Dolch geführt hatte, fing den Leichnam auf und ließ ihn lautlos zu Boden gleiten. Dann stach er den nächsten Wachposten nieder.
    Zufrieden ging er ein paar Schritte zurück und winkte die Männer herauf, die sich mit ihm als Erste vorwagten, nachdem ein paar erfahrene Mineure so leise wie möglich das Mauerwerk über dem Bach aufgebrochen hatten. Zu ihrem Glück waren die Steine der starken Freiberger Stadtmauer hier nur mit Lehm und nicht mit Kalk verbunden. Die Zeit und die Witterung hatten ein Übriges dazu beigetragen, dass sich die Bruchsteine herauslösen ließen. Dann hangelten sie sich durch das so entstandene Loch nach oben, hinein in den Turm.
    Der Marschall hatte ein Kommando aus dreißig der besten Kämpfer zusammengestellt, die dem Heer den Weg in die Stadt bahnen sollten; alle nur leicht gerüstet in Lederpanzern, damit nicht das Klirren der Kettenhemden sie verriet.
    Bisher war es ihnen gelungen, alle Wachposten unbemerkt aus dem Weg zu räumen. Nur unten hatten sich ihnen ein paar Mann entgegengestellt. Aber gegen die härtesten und kampferfahrensten Männer des Königs hatten sie keine Chance.
    Nun war der Voraustrupp auf der oberen Ebene des Turmes angelangt.
    Es wäre trotz des Schneetreibens zu riskant, den anderen mit einem Feuerzeichen das Signal zu geben, dass sie sich erfolgreich durchgekämpft hatten. Also ließen sie wie verabredet eine lange Strickleiter den Turm hinab.
    Gleich würde Verstärkung heraufkommen, und mit Sturmleitern würden ihnen Augenblicke später ein paar hundert der besten Kämpfer des Königs nachfolgen und sich über die Wehrgänge zum Erlwinschen Tor durchschlagen.
    Erleichtert sah sich der Anführer des Vorauskommandos um. Alles lief nach Plan. Noch ehe die Stadtbewohner begriffen, was geschah, würden seine Leute das Tor öffnen, die Zugbrücke herunterlassen, und die gesamte Streitmacht des Königs würde in die Stadt fluten.
     
    Niklas von Haubitz schaute misstrauisch in das nächtliche Schneetreiben. Ein Wetter, wie geschaffen für einen Angriff.
    Er hatte noch nicht viel geschlafen diese Nacht. Aber er vermochte nicht die rechte Ruhe zu finden. Und in seinem Alter brauchte er nicht so viel Schlaf.
    Also beschloss er, einen zusätzlichen Kontrollgang zu absolvieren.
    In der Halle saßen drei der Ritter aus seinem unmittelbaren Gefolge, düster vor sich hinstarrend. Offenkundig fanden auch die drei keinen Schlaf, obwohl sie eigentlich allesamt jede Gelegenheit dazu nutzen sollten. Kurzentschlossen forderte er sie auf, ihn zu begleiten.
    Keiner von den Männern ließ sich anmerken, wie wenig ihn die Aussicht begeisterte, bei diesem Wetter hinauszumüssen. Sie alle waren übernächtigt, durchgefroren und in verschiedenem Maße betroffen vom Tod derer, die sie in den letzten Tagen an ihrer Seite hatten sterben sehen.
    Doch immerhin: Sie hatten der Übermacht schon zwei Wochen getrotzt.
    Niklas fuhr mit den Händen in die ledergepolsterten Kettenfäustlinge und begann seinen Rundgang am Kalkturm, in dessen Nähe er Quartier bezogen hatte. Dort fand er alles ruhig vor, auch auf dem Roten Hirschturm. Die Wachen waren auf der Hut und hatten keine Vorkommnisse zu melden. Ein diensteifriger junger Mann näherte sich ihnen sogar mit blankem Schwert, weil er sie zunächst für Feinde hielt.
    Doch als Niklas vom nächsten Abschnitt der Mauer durch das Schneegestöber hinabsah, war ihm zumute, als würde der Boden unter seinen Füßen aufreißen.
    Täuschte er sich, oder bewegten sich dort unten dunkle Schemen? Es hatte heute nach Sonnenuntergang keinen Angriff mehr gegeben; morgen war Sonntag, und es würde allen Gepflogenheiten widersprechen, an einem Sonntag Krieg zu führen.
    Er gab seinen Rittern das Zeichen, zu ihm aufzuschließen. Wortlos näherten sie sich dem Erlwinschen Tor von links.
    Niklas beugte sich über die Mauer und verwünschte die dicken Schneeflocken und den heulenden Wind, die ihm die Sicht nahmen und jedes Geräusch verschluckten. Er kniff die Lider zusammen und rieb sich die Augen, als könnte er danach besser sehen.
    Wie durch einen Zauber ließ das Schneetreiben für ein paar Momente nach, der Wind sammelte sich für eine neue Böe. Und als würde für einen kurzen Augenblick ein Vorhang beiseitegezogen, offenbarte sich ihm das Unfassbare: Keine fünfzig Schritte von ihm begann gerade ein Großangriff, und das in völliger Geräuschlosigkeit, ohne die ansonsten lauthals gebrüllten Befehle und Flüche.
    Der Graben füllte sich mit Kämpfern,

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