Blut und Sünde
bist. Nur ist das jetzt egal. Hier geht es um andere Dinge. Du kennst mich, Osmin, und du weißt, dass ich nicht zu den ängstlichen Frauen gehöre.«
»0 ja…«
Sie ging nicht auf die Bemerkung ein und sprach weiter. »Die hat nicht nur geschauspielert, Osmin«, flüsterte Katharina. »So kann man nicht schauspielern. Die war echt, sage ich dir. Die war so verdammt echt, mein Lieber.«
Osmin war geschockt. Er sagte zunächst einmal nichts. Die Worte seiner Frau hatten ihm die Sprache verschlagen. »Hör mal, ich habe dir ja im Laufe unserer Ehe viel geglaubt, aber das hier schlägt wohl alles. Das ist doch irre. Es gibt keine Vampire. Zumindest nicht im wahren Leben und auch nicht in einem Grusical.«
»Bist du sicher?« Die Frage hatte lauernd geklungen.
»Und ob!«
»Okay, dann gehen wir jetzt zu Florence und machen die Probe aufs Exempel.«
Osmin wusste, dass er daran nicht vorbeikam. Drücken war nicht drin, deshalb nickte er. »Einverstanden, wir gehen hin. Wir werden sie fragen, und sie wird uns eine Antwort geben.«
Katharina hielt ihn noch zurück. »Zunächst schauen wir sie uns nur an, Osmin.«
»Klar, meinetwegen auch das.« Er gab sich nicht mehr so sicher wie noch vor einer halben Minute.
Die Worte seiner Frau hatten ihn schon beunruhigt, doch das wollte er offen nicht zeigen. »Sei vorsichtig«, hörte er noch ihre letzte Warnung. Doch darum kümmerte sich Osmin nicht.
Florence Turner hockte auf dem Sarg. Sie nahm keine Notiz von den beiden anderen. Zwischen ihr und ihnen hatte eine gewisse Distanz bestanden, die nun verkürzt wurde. So konnten Katharina und Osmin hören, dass Florence nicht still war. Sprach sie zu sich selbst?
Nein, das war etwas anders. Aus ihrem Mund drangen andere Laute. Röchelnde Geräusche. Vermischt mit einem leisen Knurren. Das alles war für einen Menschen schon ungewöhnlich. Auf dem kurzen Weg zu ihr erinnerte sich Osmin auch daran, wie seltsam sie auf der Fahrt zum Theater und auch schon zuvor in der Wohnung reagiert hatte. Da war sie eine ganz andere Person gewesen, schon fremd, und auch hier machte sie den Eindruck, sogar noch verstärkt.
Er blieb vor ihr stehen. Katharina wartete im Hintergrund. In ihrem roten Latexkleid wirkte sie wie eine Blutsäule. Sie sah zudem aus, als wäre sie auf dem Sprung.
»He, he, Florence, was ist mit dir? Das war doch alles super. Du sitzt hier wie jemand, der nicht daran beteiligt war. Im Gegenteil, du warst die Beste.«
Florence hob langsam den Kopf. Osmin faszinierte diese Bewegung so sehr, dass er nicht weitersprach, sondern sie einfach nur anstarrte.
Trotz des schlechten Lichts sah er sie nach dem Fallen des Vorhangs zum erstenmal aus der Nähe.
Ja, da war das bleiche Gesicht. Die hellen Augen, die trotzdem düster wirkten. Der schmale Mund, geschminkt in einem kräftigen Rot, das schon die Farbe des Blutes angenommen hatte. Der Mund stand halb offen. Zwischen den Lippen schimmerte etwas Gelbes.
Osmin runzelte die Stirn. Katharina hatte recht. Mit Florence stimmte etwas nicht. Sie war tatsächlich zu einer anderen Person geworden. Er schob es auf ihre Rolle, die nicht einfach war. Sicherlich hatte sie sich seelisch zu sehr darin hineingekniet, so dass sie jetzt einfach noch weiterspielen musste und nicht abschalten konnte. Er sprach sie wieder an.
»Warum sagst du denn nichts?«
Florence verdrehte die Augen und schaute zu ihm hoch.
Verdammt, dieser Blick! Osmin schüttelte sich. Er konnte ihn einfach nicht ertragen. So hatte ihn Florence nie zuvor angeschaut. Das war einfach nicht zu fassen. Ihr Blick hatte sich völlig verändert.
Der gehörte nicht zu ihr. Dieser Blick war…
Er drehte den Kopf. Katharina stand nahe bei ihm. Auch ihr war die Veränderung der Kollegin und Freundin aufgefallen. Sie hielt sogar die Hand in Herzhöhe auf die Brust. »Sie ist anders…«
Kathy nickte nur.
»Ich verstehe das nicht, aber ich…« Er kam nicht mehr dazu, den Satz zu vollenden, denn jetzt reagierte Florence.
Sie schien zu explodieren und war innerhalb einer Sekunde von Null auf Hundert. Osmin Gorman sah nur noch einen weißen Schatten, der vor ihm in die Höhe schnellte, und einen Augenblick später wurde er von zwei Händen gepackt, die ihn nach vorn zerrten, hin zu Florence.
Für einen winzigen Moment erschien ihr geschminktes Gesicht überdeutlich vor seinen Augen. Er konnte es sehen, es gab überhaupt keine Chance, auszuweichen, und so bekam er auch diese verdammte Veränderung mit.
Florence hatte den Mund
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