Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan
sein, um den Kerl abzuchecken.«
»Warum ich?«
»Du hast Xander Lapasas Akte und seine Fotos gesehen.«
»Du ebenfalls.«
»Du bist Anthropologin. Und du lebst mehr als fünfzig Meilen entfernt.«
Über unsere alte Definition eines Experten musste ich lachen. Jemand, der von weit weg kommt und eine Aktentasche trägt.
»Du wirst im Empfangsbereich sein, sodass du AI aus der Nähe mustern kannst, wenn er ankommt«, fuhr Danny fort. »Kannst du juristisch aussehen?«
»Ich lass mir ein paar Stunden geben.«
»Man wird AI in ein Konferenzzimmer bringen und ihm sagen, dass Nickie die Besprechung aufgezeichnet haben will. Du und Lang werdet die Beobachter sein.«
»Wird Nickie die Befragung beobachten?«
»Nein. Er will damit nichts zu tun haben. Glaubst du, du kannst die Rolle übernehmen?«
»Man wird mir einen Emmy dafür verleihen.«
Kurz darauf rief Lang an, wiederholte die Anweisungen und lud Ryan zum Mitkommen ein.
Der Anwalt, Simon Schoon, war Partner einer Kanzlei, deren Büros sich im dritten Stock eines modernen Backsteingebäudes an der Bishop Street befanden, auf halbem Weg zwischen dem Aloha Tower und der Hawaii Pacific University.
Ryan und ich kamen um zwei dort an. Eine Empfangsdame begrüßte uns in einem Foyer mit Marmorboden, deutete auf zwei Sessel und nickte verschwörerisch. Sie hatte graue Augen, zu stark gezupfte Brauen und die straffste Einschlagfrisur, die ich je gesehen hatte. Auf einem Namensschild auf ihrem Schreibtisch stand Tina Frieboldt.
Ich nahm eine Ausgabe der National Geographie zur Hand und tat so, als würde ich sie lesen. Ryan entschied sich für eine Sports Illustrated.
Lang kam zwanzig Minuten nach uns an. Er setzte sich ans andere Ende des Foyers, faltete die Hände und starrte ins Leere.
Um fünf nach drei gab der Aufzug einen Ton von sich. Sekunden später öffnete sich die Tür. Ein Mann trat ein und ging direkt auf Tina zu. Er war kurz und stämmig und hatte schüttere, rote Haare. Aufgrund seines schwarzen Sakkos und der Krawatte nahm ich an, dass es der Fahrer war.
»Mr. Lapasa ist hier.«
»Bitte führen Sie ihn herein.«
Völlig desinteressiert blätterte ich eine Seite in meinem Magazin um.
»Der Gentleman zieht es vor, im Gang zu bleiben. Infektionsrisiko. Er will unnötigen Kontakt mit Menschen möglichst meiden.« Verdammt!
Ungeduld vortäuschend schaute ich auf meine Uhr. Blätterte noch eine Seite um. Veränderte meine Sitzhaltung.
Durch die offene Tür konnte ich im Korridor einen Mann sehen.
Mir blieb das Herz stehen.
Der Mann hatte dichte, schwarze Haare und war mindestens eins achtzig groß.
35
Der Mann hatte mir den Rücken zugedreht. Er trug einen marineblauen Anzug. Der ausgefranste Rand eines weißen Kragens schmiegte sich um seinen Hals.
Sehr groß. Dunkle Haare.
Wie Xander Lapasa.
Nickies Fahrer ging wieder über den Marmor und hinaus auf den Gang und sprach mit seinem Passagier.
»Ich werde Sie direkt ins Konferenzzimmer bringen, Mr. Lapasa.«
Marineblau drehte sich um und machte einen Schritt zur Seite. Ein zweiter Mann kam in Sicht.
Der zweite Mann war durchschnittlich groß, hatte flaumige, weiße Haare und blasse Haut. Vor Mund und Nase hatte er eine Gesichtsmaske, wie man sie in Apotheken zum Schutz gegen Bazillen kaufen kann.
Marineblau fasste seinen Begleiter am Arm, dann wandte sich das Trio nach links und ging den Gang hinunter.
»Was soll denn das?« Lang war aufgesprungen. »Welcher ist Lapasa?«
Tina blieb gelassen, ihre Frisur makellos.
»Das weiß ich nicht, Sir. Soll ich Sie zu Ihrem Beobachtungsposten bringen?«
»Ja«, knurrte Lang. »Tun Sie das.« Dann zu mir: »Wissen Sie, welcher von diesen Arschlöchern Lapasa ist?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Sie bleiben bei mir«, sagte Lang. »Gehen wir.«
»Beobachtungsposten?«, flüsterte Ryan aus dem Mundwinkel heraus.
»Psch«, warnte ich.
»Die Tussi hält sich für Moneypenny.«
Tina führte uns in einen Raum mit einer Glasfront sowie einem langen, glänzenden Tisch und zwölf Drehstühlen. Als wir uns setzten, nahm sie eine Fernbedienung zur Hand und drückte mehrere Knöpfe.
Ein Bild erschien auf einem großen Flachbildschirm an der Stirnwand des Zimmers. Aus den Lautsprechern drangen Stimmen, deutlich und ohne jedes Rauschen.
Tina gab Lang die Fernbedienung und zog sich zurück.
»Das Baby hier schlägt das eure um Längen«, sagte Ryan.
»Wir können nicht dreihundertfünfzig pro Stunde verlangen«, erwiderte Lang.
»Stimmt
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