Blut will Blut
Blocks
zurückgelegt hatte, war sein Kopf wieder klar.
Georgina: schuldig oder
unschuldig? Schuldig: ein verdammt gutes Motiv; Verheimlichung ihrer
Vergangenheit; Geheimnistuerei um die enthauptete Puppe. Nein. Das
funktionierte nicht. Wenn Georgina die Geschichte mit der Puppe geplant hatte,
dann hätte sie es hinausposaunt... Es sei denn, sie war noch erheblich
raffinierter, als er dachte. Unschuldig: er wollte, daß sie unschuldig war.
Wenn jemand anderer — X, der
Scherzbold — in Georgies Zimmer eingebrochen war, wäre er ein Narr gewesen, das
Material nicht zu benutzen, das ihm dort angeboten wurde. Also könnte der
Scherzbold geplant haben, Georgie zum Sündenbock zu machen, nachdem er durch
die stummen Zeugen in ihrem Raum von ihrer Vergangenheit erfahren hatte. Sogar
das Plakat war da, mußte jedem Besucher nur zu deutlich ins Auge springen:
Samuel Borgmann Phelps präsentiert Macbeth.
Georgina könnte die
Puppe selbst manipuliert haben. Vielleicht hatte es nie eine Puppe gegeben, nur
eine Geschichte, die mit der von Deirdre übereinstimmte. Aber andererseits,
konnte das nicht auch bei allen anderen Streichen gesagt werden? War überhaupt
jemand wirklich entlastet?
Zum Beispiel der Streich, durch
den er überhaupt erst ins Ensemble gekommen war: Frank Hodges Bloody Marys.
Frank könnte doch eine geheime Schwäche gehabt haben, Blut zu trinken. Oder er
könnte einfach sein übliches Glas Wodka und Tomatensaft gekippt und dann für
Darien eine Nummer abgezogen haben. Er durfte nicht vergessen, daß er es hier
mit Schauspielern zu tun hatte. Aber warum sollte Frank es vortäuschen? Um aus
dem Stück herauszukommen. Warum? Um ungehindert Anschläge auf das restliche
Ensemble verüben zu können. Problem: Frank war in New York. Oder nicht?
Spraggue hatte eine New Yorker Nummer angerufen, hatte eine Stimme am Telefon
gehört, mehr nicht. Franks Motiv? Niete. Unbekannt.
Was war mit den anderen Späßen?
Die enthaupteten Puppen, der modellierte blutverschmierte Kopf von Gregory
Eludson, das Blutbad. Keines der Opfer war verletzt worden. Opfer und Täter
konnten in jedem einzelnen Fall problemlos ein und dieselbe Person sein. Der
Eimer voll Blut, aufgehängt für Emma. Eine Sache mit Zeitzünder, gewissermaßen,
also hätte die rothaarige Schauspielerin es auch selbst vorbereiten, im letzten
Augenblick flink zur Seite treten und höchst wirkungsvoll schreien können. Der
Stolperdraht. Wieder im voraus arrangiert. Für Caroline — oder Emma. Durch
Caroline oder Emma. Keine konnte ausgeschieden werden.
Eddies Fall — der lag etwas
anders. Eddie war hautnah mit dem Scherzbold in Berührung gekommen. Was ihn aus
dem Kreis der Verdächtigen ausschloß, richtig? Falsch. Die ganze Episode konnte
ein Lügenmärchen sein. Welche Beweise hatte Eddie, um seine Behauptungen zu
untermauern? Die beschmierten Wände, das verwüstete Apartment — von Eddie
selbst? Der Balanceakt auf dem Stuhl, die Abschürfungen durch das Seil — würde
der Scherzbold so weit gehen, sich selbst zu verletzen? Ja, wenn er
verrückt genug war oder sich total für seine Sache einsetzte. Spraggue sah
keine Veranlassung, weder die eine noch die andere Möglichkeit auszuschließen.
Womit die Schauspieler blieben,
die nicht von X belästigt worden waren — noch nicht. John Langford und Gustave
Grayling. Falls die Streiche in der gleichen Reihenfolge abgezogen wurden wie
Draculas Angriffe auf seine Opfer, würde das nicht beinahe zwangsläufig den
Verdacht auf die männliche Hauptrolle lenken? Spraggue lächelte, als er sich an
die tiefen «psychologischen» Einsichten des großen Schauspielers erinnerte.
Entweder war der Mann ein Vollidiot oder...
Nein. Auf keinen Fall dumm. Ein
guter Schauspieler, und das erforderte Intelligenz — eine instinktive, gewisse
Brillanz, ein Talent zur Nachahmung. Spraggue hatte ausgezeichnete Schauspieler
gekannt, die außerhalb eines Theaters unsicher waren. Aber dumm hätte er sie
nie genannt.
Ein Illusionist; genau mit
einem solchen Gegner hatte er es hier zu tun, mit einem Meister der Verkleidung
und im Legen falscher Fährten. Sowohl er als auch Eddie hatten den Scherzbold
gesehen, den mysteriösen X. Was konnten sie über ihn sagen?
Die Augenfarbe... Wieso hatte
er sich nicht darauf konzentriert, als der Unbekannte keine sechs Meter
entfernt gewesen war? Augenfarbe, Größe, Gewicht: das waren die Dinge, die die
Polizei bei einer Personenbeschreibung immer zuerst wissen wollte. Die
unveränderlichen
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