Blut will Blut
Taille.
Spraggue hob eine Augenbraue. Langfords Plan schien funktioniert zu haben. In
regelmäßigen Abständen warf Grayling einen Blick auf die Meute, die sich um den
Hauptdarsteller drängte, und lächelte jedesmal zufrieden, wenn sie kleiner
wurde. Einmal winkte er Langford kurz zu, achtete dabei sorgfältig darauf, daß
John nur ja Georgina sah.
Die winzige Blondine wirkte
kalt und spröde. Der besorgte Ausdruck in ihren Augen verschwand keine Sekunde.
Sie wußte von Carolines Hund; sie hatte die Tat energisch bestritten,
angeboten, sich einem Lügendetektortest zu unterziehen. Spraggue fragte sich,
was ein Lügendetektor bei Schauspielern wohl ausrichten konnte. Bestimmt
konnten jene, die von Berufs wegen logen, auch einer Maschine erfolgreich etwas
vormachen.
Gelächter und Musik perlte vom
Salon eine Etage tiefer herauf. Der größte Raum im vorderen Teil des Theaters
war ein idealer Ballsaal. Das Podium, wo normalerweise während der Pause
Erfrischungen verkauft wurden, diente jetzt als etwas beengte Bühne für eine
Kapelle.
Spraggue fixierte auf seinem
Gesicht ein höfliches Lächeln und entfloh Mrs. Perlmutter, ihres Zeichens
Mäzenin. Er hoffte, dieses verfluchte Remmidemmi wäre endlich vorbei. Einfach
zu viele Leute. Zu viele, die er kannte, zu viele, die ihn kannten. Er hatte
das Gefühl, daß ihm sein Lächeln bald aus dem Gesicht fiel.
Als er sich unten im Salon
durch die Menge schob, nickte er einem aufmerksamen, rotgekleideten Pierce auf
dem Treppenabsatz knapp zu.
Hier unten herrschte mehr
Gedrängel, der Zigarren- und Zigarrettendunst war noch übler.
Deirdre Marten stand allein in
einer Ecke, wippte im Rhythmus der Musik mit dem Fuß. Spraggue bezweifelte, daß
sie viel tanzte. In ihrem schwarzen Kleid sah sie zu rein, zu unberührbar aus.
Wie sehr ein Mann auch von ihrer Schönheit angezogen werden mochte, würde er
doch zögern, diese Eisprinzessin anzusprechen. Wartete sie immer noch auf ihre
Chance, Emmas Rolle zu übernehmen? Glaubte sie immer noch, ein weiterer
«Zwischenfall» könnte sich ereignen? Wen würde Deirdre in Macbeth spielen? Eine der Hexen, wenn der Regisseur das Trio so tödlich und kalt sah.
Oder in diesem steifen schwarzen Kleid vielleicht eine junge Lady Macbeth. Aber
von keinem Ensemble, in denen Deirdre Marten oder Dinah Martowski bislang
gearbeitet hatte, war Macbeth gespielt worden. Sie gehörte zu den
wenigen, deren Vergangenheit Tante Mary umfassend überprüfen konnte. Keine
ungeklärten Lücken in ihrer schauspielerischen Karriere.
Tante Mary... Sie paßte oben
auf alles auf. Pierce behielt die Treppe im Auge. Und Karen... Spraggue sah sie
in dem Augenblick, als er an sie dachte. Sie tanzte mit Eddie Lafferty.
Das dunkelblaue Kleid stand ihr
gut. Spraggue fand die wallenden Falten interessanter als Emmas halbentblößten
Busen.
Karen und Eddie tanzten gut,
aber irgendwie wirkten sie auch distanziert. Eddie, zu diesem Schluß gelangte
Spraggue, hielt sich zurück. Angst vor älteren Frauen? Natürliche
Zurückhaltung? Spraggue wartete, bis das Stück zu Ende war, dann klopfte er
Karen leicht auf die Schulter und führte sie wieder auf die Tanzfläche. Wenn er
nicht fragte, konnte sie auch nicht ablehnen.
«Sieht aus, als würden Sie sich
amüsieren», flüsterte er.
«Wieso?» Aufsässigkeit
flackerte in ihren Augen.
«Haben Sie mit Eddie über Macbeth gesprochen?»
«Auf mich wartet Arbeit,
Spraggue!»
«Michael. Und, haben Sie ihn
gefragt?»
«Ja», flüsterte sie wütend. «Er liebt das Stück, hat aber selbst noch nie mitgespielt. Und er hat
sich auch nicht merkwürdig benommen, als ich es erwähnt habe!»
«Ganz locker», sagte Spraggue
leise. «Lächeln.»
«Ich fühle mich nicht wohl.
Alle wissen, daß ich eigentlich nicht hier sein sollte!»
«Sie sehen aus, als würden sie
an jedem Abend der Woche lange Kleider tragen und tanzen gehen. Das Ensemble
wird einfach davon ausgehen, daß Eddie Sie mitgebracht hat.»
«Hat er aber nicht.»
Spraggue nahm sie fester in den
Arm. «Gut.»
«Das ist mein Ernst. Ich bin
als einziger von der Technik hier.»
«Dennis Boland kommt gerade die
Treppe runter.»
«Der! Er ist doch Dariens
Schatten.»
«Komischer Schatten», erwiderte
Spraggue grüblerisch.
«Er ist komisch.» Karen schaute
fragend zu Spraggue auf. «Er ist ein guter Intendant, tüchtig wie nur was. Aber
können Sie ihn sich als Dariens besten Freund vorstellen? Wirklich, Darien ist
so ein Snob. Sehen Sie ihn nur an, wie er all diese
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