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Blut will Blut

Blut will Blut

Titel: Blut will Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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Cocktailparty im Haus eines Finanziers. Liebend gerne werde ich
darauf verzichten.»
    Das Stück war zu Ende. Emma
drückte ihm einen Zettel in die Hand, den sie hastig aus ihrer winzigen
Handtasche gezogen hatte. «Adresse und Telefonnummer», sagte sie. «Ich warte.»
Sie ging.
    Spraggue atmete aus. Die Hand,
mit der er das rote Kleid berührt hatte, fühlte sich heiß und verbrannt an. Was
steckte hinter dieser plötzlichen Verführung? Ein Trick, um John Langford
eifersüchtig zu machen? Oder Greg? Ein Spiel, um Caroline noch wütender zu
machen? Er steckte den Zettel in seine Tasche. Der Abend könnte sich noch als
erheblich besser herausstellen, als er erwartet hatte.
    Gegen Mitternacht war man
allgemein der Meinung, daß die Party ein voller Erfolg war. Die Musik plärrte
lauter, neben den ruhigeren Stücken jetzt auch Disco. Farben vermischten sich
und wirbelten im Champagnerdunst. Caroline, Langford und Darien waren die
unbestrittenen Stars des Abends. Das Ensemble schwatzte und tanzte, so
strahlend und glänzend wie Fotos in einem Lebenslauf.
    Fotos in einem Lebenslauf. Wenn
er doch nur...
    Plötzlich ging das Licht aus.
Die Musik hörte auf, eine widerwillige Klarinette spielte noch eine ganze Weile
allein weiter. Ein erstickter Fluch schnitt durch die plötzliche Stille. Jemand
kicherte. Ein Tablett kippte um, Gläser zersplitterten. Dann ein neues
Geräusch, ein unheimliches Pfeifen.
    Es begann ganz leise und
undeutlich, stieg von der Tanzfläche auf. Die Musiker starrten sprachlos ihre
Instrumente an. Die Lautsprecher hatten ein Eigenleben entwickelt.
    Die Stimme war nur ein
Flüstern, schrill, dünn, bedrohlich — ein eigenartig monotoner Sprechgesang.
     
    «Dreimal hat die gestreifte
Katze miaut,Dreimal, und einmal der Igel gejault.
    Harpier schreit: — ‘s ist Zeit,
‘s ist Zeit .» 8
     
    «Mein Gott!» Carolines erstickte
Stimme. «Das ist Macbeth. Nein, nicht Macbeth !»
    «Was zum Teufel...» Darien fing
energisch an, verstummte dann.
    «Das ist meine Aufnahme.»
Unverkennbar John Langfords Stimme. «Meine Londoner Aufnahme. Wer könnte...»
    Dann die Stimme einer Frau.
    «Der Than von Fife hatte ein
Weih; wo ist sie nun?— Wie, wollen diese Hände denn nie rein werden?» 6 Die Stimme schraubte sich zu
einem schrillen Schrei hoch, endete in einem Schluchzen.
    Jemand ließ ein Glas fallen.
    Spraggue sah den schwachen
Strahl, spürte das kalte Metall der Taschenlampe in seiner Hand. «Suchen wir
das Kabel», flüsterte Spraggue, richtete das Licht auf Pierce’ besorgtes
Gesicht. Der Butler nickte. Lautlos gingen sie zusammen die Treppe hinauf.
    Weit entfernt mischte sich das
Heulen eines Wolfes in den pfeifenden Wind. Im Hintergrund schwoll Musik an —
rauh und bedrohlich. Eine neue Stimme sprach.
    «Ratten», sagte die Stimme. «Ratten,
Ratten, Ratten! Hunderte, Tausende, Millionen Ratten, und jede von ihnen ein
Leben; und Hunde, die sie fressen, und auch Katzen. Alles Leben! Alles blutrot,
mit Jahren von Leben darin...»
    Spraggue und Pierce
durchquerten das stille Foyer, weiter durch den Personalausgang und die Treppe
hinunter.
    «Wenigstens zitiert der
Dreckskerl jetzt Dracula», sagte Spraggue. «Der Gedanke wäre mir
zuwider, wenn er das falsche Ensemble terrorisiert.»
    «Verkabelung von unten», raunte
Pierce. «Ich habe das Podium überprüft. Saubere, kleine Löcher.»
    «Die Garderoben», sagte
Spraggue.
    In Gus Graylings Garderobe
spürten sie die Quelle der Stimmen auf. Versteckt unter einer Plane lag ein
wuchtiges Tonbandgerät, zusätzlich getarnt von den überhängenden Ranken einer
großen Topfpflanze. Kabel führten nach oben und durch eines der Oberlichter;
Holzspäne verrieten die Bohrlöcher. Aber das Tonbandgerät und die Kabel waren
nicht das eigentlich Interessante.
    Direkt daneben stand ein Käfig,
ein großes Metallgefängnis. Und daneben ein zweiter, ebenfalls leer. Auf jedem
Stuhl, aufgestapelt auf dem Boden: Käfige von jeder nur erdenklichen Größe. Ein
plötzliches Geräusch, ein Piepsen wie von einem Tier, ließ Spraggue sich
umdrehen. Hinter der Tür stand ein weiterer Käfig, durchschnittlich groß, mit
winzigen silbernen Stangen. Aber dieser war nicht leer.
    Eine Ratte, deren rote Augen im
Schein der Taschenlampe glühten, lief wie wildgeworden auf und ab. Oben auf dem
Käfig, ordentlich in Blockschrift geschrieben, lag ein Schild:
     
    RATTEN! HUNDERTE, TAUSENDE,
    MILLIONEN RATTEN!
    RATET MAL,
    WO DIE ANDEREN

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