Blutaxt: Die Eingeschworenen 5 - Roman (German Edition)
Rovald auf, der die Hände auf die schmerzende Brust drückte, käsebleich, nach Luft ringend und beschämt, dass er es wieder nicht geschafft hatte, seinen Jarl zu beschützen. Krähenbein warf ihm einen kurzen Blick zu und ging weiter, aber seine Verachtung war deutlich zu spüren. Es war klar, die Götter waren Rovald im Kampf nicht mehr gnädig, und nach dieser Katastrophe würde er nicht länger Krähenbeins Schildträger sein.
Der Befehlshaber der Krieger von Dyfflin trat vor und betrachtete das flatternde Banner.
» Ich kenne das Zeichen zwar nicht«, rief einer, » aber mir will scheinen, das soll eine Friedenstaube sein.«
» Im Gegenteil«, erwiderte Krähenbein. » Es ist der herabstoßende Falke des Prinzen Olaf, dem Sohn Tryggves, aus der Ynglings-Dynastie der norwegischen Könige. Für euch gibt es weder eine Taube noch Frieden, es sei denn, ihr bittet darum.«
Der Bart des Mannes war so hell, dass es aussah, als sei er mit Sahne übergossen, sein Helm war mit Messing und Gold beschlagen. Er hatte blaue Augen, und sein Auftreten war von geradezu aufreizender Überheblichkeit.
» Was du nicht sagst«, antwortete er. » Nun, ich bin Raghnall und dazu bestimmt, meinem Vater nach dessen Tod als Herr über Dyfflins Nordmänner zu folgen, was aber, wie ich hoffe, noch lange dauern wird. Dieser Hüne hier an meiner Seite ist Thord Vargeisa.«
Vargeisa. Ein interessanter Name, dachte Krähenbein. Er bedeutete Wolfsglut, ein gefährlicher Name, aber er schien den Mann mit dem Kettenhemd nicht sonderlich zu belasten. Über sein Gesicht hing ein Gewirr aus verblichenem blondem Haar, aber seine Haut war zerfurcht, und seine Augen waren klein und tief liegend, zwei glühende Funken in zwei dunkeln Höhlen.
» Ihr seid die Eingeschworenen, höre ich?«, brummte er. » Danach seht ihr aber nicht aus, besonders du in deinem rostigen Kettenhemd. Wenn ihr wirklich die Eingeschworene seid, dann zeigt mir diesen Finn, von dem ich gehört habe, dass er sich vor nichts fürchtet.«
» Wir sind Eingeschworene«, sagte Krähenbein entschieden, » obwohl weder Finn noch Jarl Orm Bärentöter hier sind. Aber freu dich nicht zu früh, denn diejenigen, die hier sind, gehören mir. Es sind die Eingeschworenen von Prinz Olaf, dem Freund von Jarl Orm. Und ich kann dir auch einige unserer Helden zeigen – Murrough hier, der dir mit einem Hieb seiner Axt den Schild vom Arm gerissen hat. Oder ich selbst, eher bekannt als Krähenbein. Du brauchst dir auch keine Gedanken über mein Kettenhemd zu machen, denn wenn wir hier fertig sind, werde ich deines besitzen.«
Die Blicke, die sie untereinander tauschten, zeigten ihm, dass sie seinen Namen kannten, und das erfüllte ihn mit Stolz. Krähenbein sah zum Himmel hoch, dann nach links und rechts, wo Männer herumrannten und die Toten ausplünderten.
» Der Tag ist verloren. Rechts und links von dir sind Iren, hinter dir und vor dir ebenfalls. Wenn du dich nicht ergibst, werdet ihr rennen müssen und trotzdem alle sterben. Und wenn du lieber kämpfen willst, werdet ihr auch alle sterben.«
Raghnall spuckte aus und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen.
» Die Geschichte lässt sich auch anders erzählen«, sagte er. » Nämlich dass wir euch Abtrünnige alle umbringen und dann nach Hause gehen.«
» Unmöglich«, erklärte Krähenbein und schüttelte den Kopf. Raghnall ließ ein bellendes Lachen hören und schüttelte den Kopf, allerdings bewundernd.
» Du magst ein Grünschnabel sein«, sagte er, » aber du hast den Mut eines Mannes. Trotzdem bin ich hier der Löwe.«
» Du hast noch nie im Leben einen Löwen gesehen«, entgegnete Krähenbein ruhig. » Aber ich sehr wohl. Einst, als die Tiere noch sprechen konnten, ging ein solcher Löwe mit seinem Freund, dem Fuchs, spazieren. Der Löwe fing an, mit seiner Kraft zu prahlen. Vielleicht hatte der Fuchs ihm ja einen Anlass dazu gegeben, denn im Grunde genommen war er ein Schmeichler. Aber jetzt, wo der Löwe anfing, so zu prahlen, sagte er: ›Pass mal auf, Löwe, ich werde dir ein Tier zeigen, das noch mächtiger ist als du.‹ Sie gingen weiter, der Fuchs voraus, und sie trafen einen kleinen Jungen. ›Soll das dieses stärkere Tier sein?‹, fragte der Löwe. ›Nein‹, sagte der Fuchs, ›das muss er erst noch werden.‹ Nach einiger Zeit trafen sie auf einen alten Mann, der gebeugt an einem Stock daherging. ›Ist das etwa dein Wundertier?‹, fragte der Löwe. ›Nein‹, erwiderte der Fuchs, ›aber einst war er
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