Blutaxt: Die Eingeschworenen 5 - Roman (German Edition)
auch, denn er fuhr knurrend zu Takub herum.
» Genug davon, Bruder – wir können dafür sorgen, dass du wieder ruhiger träumen kannst, indem wir sie töten, und zwar hier und jetzt.«
» Barjik«, klang es leise flüsternd, » geh jetzt und mach dich woanders nützlich.«
Barjik funkelte erst seinen Bruder, dann Orm und Finn wütend an und verließ schließlich das Zelt mit einem Luftzug, der den parfümierten Verwesungsgestank von Neuem aufwirbelte.
Takub setzte sich mühsam auf, was ihm offenbar Schmerzen bereitete, dann wickelte er langsam die Seidentücher von seinem Kopf. Sogar Finn rang nach Luft.
Sein Gesicht war völlig zerfressen. Die Nase war eine schwarze Ruine, die Lippen fleckig, die Wangen sahen aus, als seien sie von Ratten zernagt, und eines seiner Augen schwamm in gelbem Eiter. Die Fäule hatte auch bereits seinen Hals erreicht, sodass er nur noch ein raues Flüstern herausbrachte.
» Die Alexandrinische Krankheit«, sagte Takub. » Dafür gibt es keine Heilung.«
» Aussatz«, erwiderte Orm. » Lepros, wie es die Griechen nennen.«
» Ich bin bestraft worden«, sagte Takub, » ob von eurem Gott oder von meinem, tut nichts zur Sache. Aber mein eigener Gott hat euch hierhergeführt, um mein Leiden zu lindern.«
» Stimmt«, sagte Finn, ehe Orm sprechen konnte. » Ich könnte zum Beispiel meine versteckte Klinge hervorziehen und dein Leiden ein für alle Mal lindern.«
Sie hörten ein leises Geräusch, wie ein Flügelschlag, und Orm brauchte einen Moment, bis er merkte, dass Takub lachte.
» Ich klammere mich an das, was von meinem Leben noch übrig ist, samt Schmerzen und allem«, sagte Takub. » Doch es wäre alles weniger schlimm, wenn der Schlaf für mich die Erholung wäre, die er eigentlich sein sollte.«
» Und du glaubst, dass ich dir dabei helfen kann?«, fragte Orm, der nicht verstand, worauf Takub hinauswollte.
» Es sind meine Träume«, zischte er. » Wir sind doch Händler. Orm. Lass uns um traumlosen Schlaf handeln. Denn ich habe das, was du suchst.«
» Du willst es als Blutpreis«, sagte Orm, der anfing zu verstehen. » Ich soll dir versichern, dass ich Krähenbein mit seiner Axt nicht zu dir schicke, um zu rächen, was du damals mit meinen Männern gemacht hast.«
Es raschelte leise, als Takub erschauernd nickte. Merkwürdig, dachte Orm, wie eine Krankheit und der nahe Tod die Menschen doch verändert. Hier saß Takub, der in seinen besten Jahren gerissen und flink wie ein Wiesel gewesen war, und nun hatte er Angst vor dem Jungen, den er einst auf dem Marktplatz von Nowgorod gesehen hatte. Eine solche Angst, dass er allen Ernstes um Vergebung und ruhigen Schlaf handeln wollte, was ihm jetzt mehr bedeutete als Silber und Edelsteine. Er wusste ja nicht, dachte Orm, dass die Eingeschworenen, die er verkauft hatte, ihre alten Rudergefährten angegriffen hatten und dafür getötet worden waren.
Orm überlegte kurz, wo Krähenbein jetzt wohl sein mochte und ob er die Schicksalsfäden um Eiriks Blutaxt schon entwirrt hatte. Er würde wohl inzwischen entdeckt haben, wer dieser Drostan wirklich war und was er aufgeschrieben hatte. Hätte er den Verstand gehabt, gleich danach zu fragen, dann hätte er es von Hoskuld sofort erfahren, denn dem hatte der Gedanke gar nicht gefallen, dass er es für sich behalten sollte, bis Krähenbein fragte.
» Warum sollen wir den Jungen nicht aufklären?«, hatte er gefragt, und Orm hatte es ihm erklärt: weil er sich bisher noch nie anstrengen musste. Er hatte Silber, Schiffe und Krieger bekommen wie ein verwöhntes Kind, dem man mit einem Silberlöffel Brei in den Mund stopft. Wenn er sich einen Namen machen will, dann muss er selbst etwas dafür tun und seinen Verstand gebrauchen.
Im Stillen dachte Orm, dass diese Sache mit der Axt eigentlich ein großer Blödsinn war – aber Martin war darin verwickelt, und das machte sie gefährlich. Wenn der Junge sich an seine Pläne und an den Schwur gehalten hatte, dann war er jetzt auf der Insel Man und wusste alles. Wenn er sich aber von Hoskuld getrennt haben sollte und allein weitergereist war, dann würde es zu einer schwierigeren Lektion für ihn werden. Doch Orm zweifelte keinen Augenblick daran, dass dieser bemerkenswerte Junge, der unbedingt ein Mann sein wollte, am Leben war.
Doch dann korrigierte er sich. Nein, er war kein Junge mehr, sondern jetzt wirklich erwachsen. Es war dumm, immer noch an diesem alten Bild von dem kleinen Jungen mit den verschiedenfarbigen Augen festzuhalten. Orm
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