Blutbahn - Palzkis sechster Fall
riet: »KPD wird versetzt!«
»Nein, da muss ich dich enttäuschen.
Es gab eine vorläufige Festnahme. Der S-Bahn-Fahrer, der dem Fahrzeugführer in Schifferstadt
den Toten gemeldet hatte, wurde ausfindig gemacht.«
Diese Meldung war mir eine zweite
Tasse Kaffee wert. Ich musste mir unbedingt eine Möglichkeit ausdenken, die Kaffeerationen
in dieser Dienststelle dauerhaft zu verknappen, dann könnte man ihn fast ohne Bedenken
trinken.
»Mach’s nicht so spannend, Jürgen.
Was ist mit ihm?«
»Kann ich noch nicht sagen. Er wurde
in der Nähe von Hamburg in Gewahrsam genommen. Bis morgen soll er bei uns ankommen.«
»Müssen wir einen Auslieferungsantrag
stellen? Wie viele Bundesländer sind bei seiner Überführung beteiligt?«
Nachdem mich meine Kollegen fassungslos
angeschaut hatten, winkte ich lächelnd ab. »War nur Spaß, Leute.«
11
Ein paar Besuche
»Packen wir’s«, sagte ich zu Gerhard. »Lass uns
zu Pfeiffers nach Frankenthal fahren. Oder war noch was?«
Jürgen verneinte, doch Jutta schien
nicht zufrieden zu sein. »Erzähl du einmal, wie ist es dir auf der Bahnfahrt ergangen?«
»Ach, da war nicht viel. Kurz hatte
ich einen Bauarbeiter und einen Pfarrer in Verdacht, doch ich habe schnell bemerkt,
dass sie unverdächtig waren. Unser Täter muss im Vorfeld bemerkt haben, dass nicht
der echte Pit Teufelsreute unterwegs war. Möglicherweise kommen wir in der Sache
bei dem Schmitd weiter.«
Im gleichen Moment fiel mir etwas
Wichtiges ein.
»Jutta, könntest du dich bitte mit
der Bahngesellschaft in Verbindung setzen? Ich stehe im Moment unter Verdacht, ein
Schwarzfahrer zu sein. Irgend so ein Kontrolleur hat meine Daten aufgenommen. Sogar
zweimal, Hin- und Rückfahrt.«
»So langsam entwickelst du dich
zu einem schlechten Vorbild. Pass nur auf, dass das deine Kinder nicht mitkriegen.
Gestern lässt du dein Auto abschleppen und heute fährst du gleich zweimal schwarz.«
Ich wollte gerade aufbrausend reagieren,
doch Jutta fiel mir bei der ersten Silbe ins Wort.
»Keine Panik, ich kümmere mich darum.
Du bleibst ein relativ unbescholtener Bürger und dein Führungszeugnis wird keinen
Kratzer bekommen.«
»Wo müssen wir hin«, fragte mich Gerhard, als wir auf der B 9 die kreisfreie
Stadt Frankenthal in Sichtweite hatten. Ich schnappte mir den Zettel mit der Adresse
und Wegbeschreibung, den mir Jutta zugesteckt hatte und begann vorzulesen.
»Philipp-Rauch-Straße. Das ist –«
»Schon gut«, unterbrach mich mein
Kollege, »die kenne ich. Sag mir nur die Hausnummer.«
Ich nannte sie ihm und beobachtete
verwundert, wie er die gesuchte Straße zielsicher fand.
»Hast du ein Navi verschluckt?«
Gerhard ließ meine Frage unbeantwortet.
Er parkte stumm vor dem Einfamilienhaus. Der kleine Vorgarten war komplett mit Rindenmulch
ausgelegt. Lediglich der Mülltonnenunterstellplatz aus Waschbeton sowie die eine
oder andere antik anmutende Tonamphore, die wie zufällig aus dem Rindenmulch herausspitzelte,
störte die Monotonie.
Das Haus schien recht reparaturbedürftig
zu sein. Das Fallrohr der Dachentwässerung war durchlöchert wie ein Sieb und auch
die verwitterten Betonsteine der Dachbedeckung waren teilweise verrutscht und gebrochen.
Doch mir fiel noch etwas anderes auf.
»Wir können wieder heimfahren, Gerhard.
Es ist niemand da.«
»Woher willst du das wissen, Sherlock
Holmes? Wir haben nicht einmal geklingelt. Oder kannst du anhand des Bodenbelags
im Garten auf das Alter der Bäume schließen und darauf, ob jemand zuhause ist.«
Ich schaute schweifend in den Vorgarten
und orakelte: »So wie das stinkt, stammt das Zeug aus der Ernte vom Vorvorjahr.
Wenn es dich interessiert, der Mulch ist von etwa 30-40-jährigen Kiefern.«
Gerhard wirkte extrem verblüfft.
Es dauerte freilich nicht lange, bis er es kapiert hatte.
»Ausgerechnet du, der nicht einmal
eine Kiefer von einer Eiche unterscheiden kann. Es ist ein Wunder, dass du den Mulch
als solches erkannt hast. Sag jetzt, warum soll niemand daheim sein?«
Ich zeigte ihm die Fenster.
»Na und? Was ist daran so besonderes?«
»Die Rollläden!«
Gerhard verstand immer noch nicht.
»Alle Rollläden sind halb heruntergelassen.«
»Und daran erkennst du, dass das
Haus menschenleer ist?«
Ich nickte. »Ja, in 99 Prozent der
Fälle ist das so. Jedenfalls dann, wenn alle Rollläden auf Halbmast stehen.«
»Und wieso ist das so?«
»Ich habe
da mal einen Bericht gelesen. Das hat viel mit Psychologie zu tun. Viele Menschen
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