Blutbeichte
geschickt haben will. Aber das stimmt nicht. Sie hat Probleme mit ihrem Gedächtnis. Aber sie hat andere Dinge geschrieben, die ich Ihnen jetzt geben kann. Sie schreibt manchmal, bevor sie einen Anfall hat. Stan kann das bestätigen. Eines Tages kam er zu Mary, nachdem sie einen Anfall hatte, und über den ganzen Fußboden lag Papier verstreut.«
Als Joe den Umschlag öffnete, entdeckte er darin Rezepte, Post-it-Zettel, abgerissene Zeitungsränder, Toilettenpapier, Zeitschriften, Briefkarten mit Blumenmuster, Seiten aus einem Rolodex, Grußkarten, die cremefarbenen Innenseiten von Müslischachteln. Jeder Fetzen Papier, der Platz zum Beschreiben bot, war von Mary vollgekritzelt und in Umschläge gesteckt worden.
»Es hat sie sehr traurig gemacht«, fuhr Magda fort. »Mary versucht zu verstehen, was sie geschrieben hat, aber sie begreift nicht alles. Dann ist sie oft so traurig und verzweifelt, dass ich ihr alles wegnehme, was sie geschrieben hat. Ich tue es für sie. Stanley weiß das nicht, darum hat er Marys Briefe an Sie eingeworfen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Jetzt wissen Sie nichts damit anzufangen.«
»Haben Sie das hier noch mal gelesen?«, fragte Joe und hielt die Umschläge in die Höhe.
»Ich lese nie, was Mary schreibt. Ich habe immer noch ziemlich Probleme, englische Texte zu lesen.«
»Hat jemand etwas dagegen, wenn ich mir diese Briefe anschaue?«, fragte Julia.
Joe reichte sie ihr.
»Hm«, murmelte Julia. »Ich sehe, wie schwierig es ist, das hier zu verstehen. Mary ist in ihren Gedankengängen sehr sprunghaft. Das erkennt man schon daran, wie sie das hier alles geschrieben hat. Während der Niederschrift erschien es ihr wahrscheinlich sinnvoll, aber es ist keine vernünftige Reihenfolge zu erkennen.«
»Vieles von dem, was sie schreibt, ist sehr schwer zu verstehen«, pflichtete Joe ihr bei.
»Vergessen Sie nicht, dass Marys Langzeitgedächtnis intakt ist«, erklärte Julia. »Es ist sehr belastend für sie, dass sie seit dem Überfall Schwierigkeiten hat, neue Erinnerungen zu speichern. Sie kann nicht mehr alles das tun, was sie früher tun konnte, und das weiß sie.« Julia seufzte. »Ich wäre gern eine größere Hilfe für Sie, aber letztendlich wissen nur Sie allein, was Sie suchen. Ich kann Ihnen lediglich raten, das alles hier genau unter die Lupe zu nehmen und zu überprüfen, ob irgendetwas für Ihre Ermittlungen von Bedeutung ist. Für mich ist es nicht besonders aufschlussreich, wenn Mary über ihren Schwimmunterricht im Astoria Park spricht, aber wenn Sie wissen, dass der Killer dort täglich fünfzig Bahnen schwimmt, könnte es wichtig sein.«
»Ich habe mir einige der Zeichnungen angesehen«, sagte Magda und zuckte mit den Schultern. »Sie sind äußerst seltsam.« Sie zeigte auf die Müslischachtel. »Das hier zum Beispiel.«
Joe drehte die Schachtel um und sah scheußliche schwarze Münder wie aus einem Albtraum, einige groß, andere klein, alle weit aufgerissen und mit abgebrochenen Zähnen.
Er reichte Danny die Zeichnung.
»Hat sie mit Ihnen darüber gesprochen?«, fragte er.
Magda schüttelte den Kopf. »Das hat sie nach einem ihrer Anfälle gemalt. Grässlich, nicht wahr? Ich habe es auf ihrem Schreibtisch gefunden. Das kann ich ihr nicht zeigen. Es ist zu gruselig.«
Danny nickte. »Danke, dass Sie uns darauf aufmerksam gemacht haben. Wir schauen uns das alles noch mal genau an. Vielleicht hat es keine Bedeutung, aber wir müssen alles überprüfen.«
»Ja. Vermutlich bedeuten die Zeichnungen nichts«, räumte Magda ein. »Aber da Sie gerade hier sind, könnten wir Mary fragen, ob sie uns helfen kann.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte Julia, »begleite ich Sie nicht. Wir eröffnen gerade eine zweite Klinik in der Nähe von New York. Ich stehe sehr unter Druck, wie Sie sich vorstellen können.«
»Kein Problem«, sagte Joe.
Mary saß auf der Bettkante. Die Blätter lagen verstreut vor ihr. Magda saß neben ihr und hatte ihr eine Hand auf den Arm gelegt. Joe und Danny standen neben dem Bett. Mary hatte sich seit fünfzehn Minuten nicht gerührt. Niemand sagte ein Wort.
Schließlich hob Mary den Blick. »Es hat was mit Mündern zu tun … schlägt die Münder der Menschen. Ich glaube, er kann nicht anders.« Sie zeigte auf die Pappe mit ihrer Zeichnung und die Stelle, wo die Tinte so dick aufgetragen war, dass sie die Pappe durchdrungen hatte.
Das Licht im Wohnzimmer brannte, als Joe nach Hause kam. Anna kam in den Flur, als sie den Wagen hörte.
Weitere Kostenlose Bücher