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Blutbeichte

Blutbeichte

Titel: Blutbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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»Darf ich mir den Brief ansehen, den Sie da haben?«
    »Ja, sicher.«
    Mary nahm die Plastiktüte mit der Serviette von Joe entgegen und starrte darauf. Das Haar fiel ihr wieder ins Gesicht, als sie den Text mit gesenktem Kopf langsam las. Sie ruckte unruhig auf ihrem Stuhl, schob die Füße weit nach hinten und schlug die Unterschenkel übereinander. Ein paar Minuten vergingen. Joe warf Julia Embry einen Blick zu, doch die Klinikleiterin zuckte nur mit den Schultern. Joe wartete. An Julias Telefon blinkte ein Licht, doch sie konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf Mary, die ihr Haar schließlich zur Seite schob und hinters Ohr steckte, sodass alle die Tränen sehen konnten, die ihr übers Gesicht rannen. Als ihr Blick zuerst zu Julia und dann zu Joe wanderte, hatten sich ihre hellen Augen, die zuerst so strahlend und klar gewesen waren, vor Angst und Verwirrung verdunkelt.
    »Sagt dieser Brief Ihnen etwas, Mary?«, wollte Joe wissen.
    »Nein«, erwiderte Mary. »Tut mir leid.«

15
    Jemand hatte Stanley Frayte eine Dose Cola und einen Riegel Schokolade gebracht. Er biss gerade von der Schokolade ab, als Joe und Danny den Verhörraum betraten.
    »Also gut, Stanley«, sagte Joe. »Wir haben mit Mary gesprochen. Sie hat bestätigt, was Sie ausgesagt haben. Damit sind wir hier vorerst fertig. Sie können gehen.«
    »Danke«, sagte Stan.
    »Wir könnten Sie nach Hause bringen«, bot Joe an.
    »Wirklich?«
    »Kein Problem. Zurück nach Tuckahoe?«
    »Nein, zur Reha-Klinik. Mein Van steht da.«
    »Okay.«
    Als sie das Polizeirevier verlassen hatten und den Wagen erreichten, starrte Stanley auf die Milchshakeflecken auf der Motorhaube.
    »Sagen Sie nichts«, sagte Joe und warf Danny die Schlüssel zu.
    Sie setzten sich in den Chevy Impala und fuhren die kurze Strecke bis zur Einundzwanzigsten Straße. Joe drehte sich im Sitz zu Stan um.
    »Wie lange sind Sie schon Elektriker?«
    »Seit acht Jahren.«
    »Gefällt Ihnen der Job?«
    »Ja«, sagte Stan. »Ja, der Job gefällt mir.«
    »Was haben Sie vorher gemacht?«
    »Ich war Lkw-Fahrer.«
    »Tatsache? Mein Vater war auch Lkw-Fahrer«, sagte Joe. »Welche Strecke sind Sie gefahren?«
    »Ich habe auf Riker’s Island ausgeliefert.«
    »Bei welchem Unternehmen?«
    »Barbizan Trucking.«
    »Warum haben Sie den Job aufgegeben?«
    »Ich war zu viel unterwegs«, erwiderte Stanley.
    Sie hielten vor der Klinik.
    »Okay«, sagte Joe. »Hier ist meine Karte. Wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte oder wenn Sie uns brauchen, rufen Sie mich an.«
    »In Ordnung«, sagte Stan. »Danke, dass Sie mich hergebracht haben.«
    »Kein Problem«, erwiderte Joe. »Danke für Ihre Hilfe.«
    Stan ging zum seinem Van. Im Rückspiegel sah Joe, dass Julia Embry im Eingang stand und Stan zu sich winkte.
    »Dein Vater ist also Lkw-Fahrer, hm?«, sagte Danny und bog an der Klinik rechts ab. »Wie viele Jobs hast du Giulio im Laufe der Jahre eigentlich schon verpasst?«
    »Nur so gelingt es mir, ihn als einigermaßen normalen Menschen zu betrachten«, erwiderte Joe. »Was machen wir jetzt mit Miss Mary?«
    »Diese Augen …«, sagte Danny.
    »Marys Augen?«
    »Ja. Wie bei diesen Hunden … wie heißen sie gleich? Diese Schlittenhunde.«
    »Huskys.«
    »Ja, genau. Du musst zugeben, dass sie ganz besondere Augen hat.«
    »Stimmt.«
    »Das ist aber auch schon alles.«
    »Das finde ich nicht, Danny. Das Mädchen sieht aus, als müsste es in Watte gepackt werden und … ich weiß nicht, als dürfte man niemanden in ihre Nähe lassen.«
    David Burig saß auf einer kleinen Holzbank auf dem Grundstück des Colt-Embry-Heimes. Mary saß neben ihm und schaute ihn an. Ihre Augen waren rot und müde.
    »Mary, Mary, Mary«, sagte David. »Was soll ich bloß mit dir machen?«
    »Ins Kino gehen?«, schlug sie vor.
    David lächelte und nahm sie in die Arme. »Wie kannst du nur Briefe an die Cops schicken? Hast du wirklich gedacht, du könntest ihnen helfen?«
    Er spürte ihr Nicken, als sie den Kopf an seine Brust drückte.
    »Du hast ein gutes Herz«, sagte er und zerzauste ihr Haar. »Erinnerst du dich an den kleinen Jungen, der gleich um die Ecke wohnte und immerzu geweint hat? Ich habe immer zu ihm gesagt: ›Könnte ein Eis dir helfen?‹ Und er hat jedes Mal geantwortet: ›Ja.‹ Und ich hab dann jedes Mal gesagt: ›Dann hol dir eins und bring mir auch eins mit.‹ Du hast gelacht, aber gleichzeitig hat der Kleine dir leid getan.«
    Mary lächelte. »Ich erinnere mich. Du warst ganz schön gemein!«
    David rückte

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