Blutbeichte
Sie war schneeweiß im Gesicht.
»Was ist passiert?«, fragte Joe alarmiert.
»Ich habe gerade einen Anruf aus Paris erhalten. Die Polizei war da.«
Joe erstarrte. »Was?«
»Ja, bei meinen Eltern. Drei Polizisten standen vor der Tür. Meine Mutter bekam es mit der Angst zu tun. Sie hat gedacht, wir hätten einen Unfall gehabt. Die Polizisten haben sie gefragt, ob sie das Haus betreten dürften, um sich dort umzusehen. Meine Mutter ist fünfundsiebzig. Sie wusste gar nicht, was sie tun sollte. Ich glaube, sie hat nicht mal nach den Dienstausweisen gefragt.«
Joe schüttelte den Kopf. »Ich habe deinen Eltern gesagt, sie sollen immer nach dem Ausweis fragen, wenn Fremde bei ihnen vor der Tür stehen.«
»Ach ja? Das hast du ihnen gesagt? Und hast du auch gesagt, dass die Polizei plötzlich vor der Tür stehen könnte? Warum waren diese drei Polizisten da?«
Joe zuckte die Achseln. »Nach allem, was letztes Jahr passiert ist, habe ich die Kollegen gebeten, ab und zu bei deinen Eltern vorbeizuschauen. Das ist alles.«
»Was haben denn meine Eltern damit zu tun?«
»Sie gehören zur Familie. Und Duke Rawlins hat meine ganze Familie ins Visier genommen. Du hattest auch nichts damit zu tun, was sich zwischen mir, Rawlins und Riggs abgespielt hat, aber das war Rawlins egal.«
»Ich verstehe nicht … Hast du gedacht, meine Eltern würden mir nichts erzählen?«
»Ich hätte nicht damit gerechnet, dass die Polizeibeamten bei deinen Eltern klingeln. Ich dachte, sie würden sich nur umsehen, ohne Aufsehen zu erregen.«
»Bekommen deine Eltern auch Besuch von der Polizei?«
»Um die kümmere ich mich selbst. Die wohnen schließlich hier in den Staaten und nicht auf der anderen Seite vom großen Teich.«
Anna schüttelte den Kopf. »Wir werden nie wieder ganz frei sein.«
»Wir sind frei«, sagte Joe und nahm Anna in die Arme.»Ich lasse nicht zu, dass jemand wie Rawlins unser Leben ruiniert. Er wird sich uns nicht wieder nähern. Das wird er nicht riskieren. Wir halten uns an dem schlimmsten Ort auf, den es für ihn gibt. New York.«
»Ich glaube nicht, dass dieser Mann sich von irgendetwas abhalten lässt, um zu bekommen, was er will.«
Joe drückte Anna an seine Brust. »Hör auf mich, Liebling. Er kommt nicht zurück.«
16
Dr. Pashwar führte Joe in sein Büro und bot ihm einen Platz an. Dann stellte er sich an die Wand, schwang vorsichtig seinen Putter und legte einen fluoreszierenden Golfball in eine grüne Maschine, die den Ball sofort zurückschoss.
»Alles eine Frage der Genauigkeit«, sagte er und kniete sich auf einen ergonomischen Hocker hinter seinem Schreibtisch. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe eine Frage.«
Dr. Pashwar blickte ihn an. »Nur heraus damit.«
Joe reichte ihm einen braunen Briefumschlag.
»Könnten Sie sich bitte ein paar Tatortfotos für mich ansehen? Ich glaube, der Täter hat sich aus irgendeinem Grund längere Zeit an den Zähnen oder den Mündern der Opfer … nun, zu schaffen gemacht, ehe er sie ermordet hat. Aber ich muss Sie warnen. Es sind abscheuliche Bilder.«
»Mich schockiert so leicht nichts«, gab der Arzt zurück und nahm die Bilder entgegen. Als er sie anschaute, wechselte er die Farbe und riss die Augen auf. »Ach du liebe Güte! Das ist ja unfassbar. Mein Gott, ja, er hat sich allerdings an ihren Zähnen und Mündern zu schaffen gemacht, wie Sie sich ausgedrückt haben. Oh je, mein Frühstück freut sich gar nicht darüber.« Pashwar trank hastig einen Schluck aus einem Plastikbecher.
»Was meinen Sie dazu?«, fragte Joe.
»Ich weiß nicht, aber Ihr Täter muss einen Grund haben,warum er seinen Opfern die Zähne einschlägt. Glauben Sie, er will sie foltern, um Informationen aus ihnen herauszupressen? Oder vielleicht hatten die Opfer ihm schon Informationen gegeben, was sie lieber hätten lassen sollen?«
Joe zuckte mit den Schultern. »Es könnte viele Gründe geben.«
Pashwar schaute sich die Fotos noch einmal an. »Offenbar geht es diesem Verrückten darum, die Opfer psychisch zu vernichten. Die Zähne sind jedem Menschen sehr wichtig. Deshalb bereitet es uns so große Angst, wenn wir träumen, die Zähne würden uns ausfallen. Sie hatten sicher auch schon mal so einen Traum, nicht wahr? Den haben die meisten Menschen.« Er verstummte. »Wissen Sie, warum es so grausam ist, wenn man die Zähne und den Mund eines Menschen so übel zurichtet? Wenn die Wunden nicht hundertprozentig heilen, gibt es stets Erinnerungen an den Vorfall. Jedes Mal,
Weitere Kostenlose Bücher