Blutbeichte
rieb sich über die Stirn. »Tut mir leid.« Ein wenig verlegen blickte er zu seinem Sohn hinüber. Shaun sah verloren aus. Seine Familie hatte sich binnen eines Jahres grundlegend verändert, und er hatte sich nie damit auseinandergesetzt.
»Tut mir leid, Shaun«, sagte Joe. »Aber ich mache mir Sorgen um dich. Und deine Mutter ebenfalls.«
Shaun seufzte. »Mir geht’s gut.«
»Nein, dir geht es nicht gut. Und das weißt du genau, auch wenn du es nicht zugibst.«
Shaun zuckte mit den Schultern. Joe sah sich mit derselben gelangweilten Gleichgültigkeit konfrontiert, die auch er als Achtzehnjähriger seinem Vater gegenüber an den Tag gelegt hatte. Er wusste jedoch nicht, ob diese Erkenntnis es leichter für ihn machte oder seine Wut noch stärker entfachte.
»Es ist ein Unterschied, ob du trinkst oder ob ich mit achtzehn Alkohol getrunken habe, Shaun.«
»Ja. Du hast vermutlich enge Hosen mit Schlag getragen, als du gesoffen hast.«
»Vielleicht. Aber es war wirklich anders. Wir haben nicht so viel getrunken, und wir haben nicht so früh damit angefangen.«
»Ich hab kein Problem mit dem Alkohol, wenn du das meinst.«
»Berühmte letzte Worte«, sagte Joe.
Shaun zuckte mit den Schultern.
»Du trinkst zu viel, Shaun, und das fast jeden Tag. Das nimmt kein gutes Ende. Warum trinkst du so viel?«
»Tue ich doch gar nicht! Keiner von meinen Kumpels muss sich deshalb von seinen Eltern Predigten anhören. Nur ich!«
»Vielleicht sorgen die anderen Eltern sich nicht so sehr um ihre Kinder.«
Shaun verdrehte die Augen.
»Nun komm schon. Ich versuche doch nur, in aller Ruhe mit dir darüber zu reden. Ich will mich nicht mit dir streiten. Aber du kannst mir glauben, dass es mit der Trinkerei kein gutes Ende nimmt.«
Shaun starrte auf den Boden.
»Trinkst du, um zu vergessen? Deine Mutter und ich wissen besser als jeder andere, was du durchgemacht hast. Deine Freunde aber wissen es nicht. Bei denen bist du nur einer ausder Clique. Keiner von denen macht sich Gedanken darüber, wenn du jeden Abend abstürzt. Denen ist das egal.«
»Nein, ist es nicht«, widersprach Shaun.
»Doch. Es ist denen sogar scheißegal. Hat jemand mit dir über das gesprochen, was passiert ist?«
»Ich will nicht darüber reden. Sie wissen was, aber das haben sie nicht von mir.«
»Und sie halten es dennoch für eine gute Idee, dass du jeden Abend besoffen bist?«
»Das ist nicht ihr Problem. Das ist meine Sache. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen.«
»Ja, und du triffst einige sehr dumme Entscheidungen. Und ich werde nicht zuschauen und es einfach hinnehmen. Ich mache dir einen Vorschlag: Samstags gehst du feiern. Freitags schaust du dir mit Tara oder jemand anderem einen Film an, trinkst aber keinen Alkohol. Alle anderen Abende in der Woche bist du um halb elf zu Hause. Okay?«
Shaun riss die Augen auf. »Was? Auf gar keinen Fall!«
»Doch«, beharrte Joe. »Ich wollte mit dir sprechen, bevor deine Mutter es tut. Sie kommt jetzt zu dir rauf, und ich will nicht, dass sie sich wegen irgendetwas Sorgen machen muss. Darum spreche ich jetzt schon mit dir, okay? Ich will nicht, dass wir Angst haben müssen, dass unser Sohn eines Tages in einer Reha-Klinik für Trinker landet.«
»So ein Schwachsinn.«
Anna kam ins Zimmer. »Hallo.« Sie setzte sich neben Shaun.
Er runzelte die Stirn. »Was ist passiert?«
»Nichts.« Anna räusperte sich. »Wir würden dir nur gerne etwas sagen.«
Shaun wartete.
»Ich bekomme ein Baby.«
»Was?« Shaun starrte seine Eltern an. »Du?« Er riss die Augen auf, während sein Blick von einem zum anderenschweifte. »Ein Kind?« Allmählich beruhigte er sich wieder. »Ach du große Scheiße.«
»Genau die Reaktion, auf die wir gehofft hatten«, sagte Joe trocken.
»Ja«, sagte Anna. »Schön, dass du so begeistert bist.«
»Tut mir leid, Mom.« Shaun umarmte sie ein wenig unbeholfen. »Ich gratuliere.«
»Deine Mutter und ich sind sehr glücklich«, sagte Joe.
»Ich habe es praktisch gerade erst erfahren«, fügte Anna hinzu. »Aber dein Vater dachte … hm, dass ich jetzt nicht so viel Stress gebrauchen kann. Ich hoffe, du hilfst mir dabei.«
Shaun blickte zu Joe hinüber und schaute dann seine Mutter an. Aller Trotz und alle Boshaftigkeit waren aus seinen Augen gewichen. »Klar, Mom. Ich freue mich für euch. Ich meine, es ist komisch, aber …«
Joe warf ihm einen fragenden Blick zu. »Komisch?«
»Stimmt doch. Ist doch komisch. Aber es ist bestimmt auch cool, der große Bruder zu
Weitere Kostenlose Bücher