Blutbeichte
Die Stimme einer älteren Dame meldete sich durch die statisch knisternde Gegensprechanlage.
»Sie wünschen?«
»Marjorie Ruehling?«, fragte Joe.
»Ja. Wer ist da?«
»Detectives Lucchesi und Markey von der New YorkerPolizei. Wir würden gerne raufkommen und mit Ihnen sprechen.«
»Worüber?«
Joe schaute Danny kopfschüttelnd an. »Kennen Sie einen Dean Valtry?«
»Ich komme herunter«, sagte sie. »Dann können Sie mir Ihre hübschen Dienstmarken zeigen.«
»In Ordnung, Ma’am.«
Fünf Minuten später öffnete eine etwa sechzigjährige dünne Frau mit karamellfarbenem aufgebauschtem Haar und in einem pfirsichfarbenen Trainingsanzug aus Velours die Tür einen Spalt und betrachtete eingehend die Dienstmarken der Detectives. Schließlich öffnete sie die Tür ganz und führte Joe und Danny in eine kleine Eingangshalle mit grau angestrichenen Wänden, an denen Briefkästen hingen, von denen die meisten von Reklamesendungen überquollen.
»Der Mann, den Sie erwähnt haben«, sagte Mrs Ruehling. »Dieser Dean Valtry. Er hat gestern Abend hier angerufen.«
»Sie kannten ihn?«
»Eigentlich nicht. Meine Tochter Sonja war mal mit ihm befreundet. Da müssen Sie schon mit ihr sprechen. Sie kann Ihnen bestimmt mehr sagen. Er hat angerufen, um mit Sonja zu reden.«
»Haben Sie es ihr ausgerichtet?«
»Das ging nicht«, sagte Mrs Ruehling. »Ich wusste, dass sie mit ihrem Mann ausgegangen war. Und Valtry wollte keine Nummer hinterlassen.«
»Also gut«, sagte Danny. »Würden Sie uns bitte Sonjas Adresse geben?«
»Ich habe eine bessere Idee. Trinken Sie einen Kaffee mit mir. Sonja kommt gleich vorbei.«
»Danke«, sagte Joe. »Gern.«
Die Teppiche, Sofas und Kissen in Marjorie Ruehlings Wohnung waren in gedeckten, beinahe tristen Creme-, Beige-und Brauntönen gehalten. Joe und Danny nahmen in schweren alten Sesseln Platz.
»Welchen Eindruck hat Mr Valtry gestern Abend am Telefon auf Sie gemacht?«, fragte Joe.
Mrs Ruehling stülpte die Lippen vor und zog die Jacke straff um ihre Schultern. »Wie ich bereits sagte, ich kenne den Mann nicht, aber ich glaube … nun, er sprach sehr schnell. Das ist mir besonders aufgefallen. Das Gespräch war rasch zu Ende, nachdem er mich gebeten hatte, Sonja um einen Rückruf zu bitten.«
»Hat er deutlich gesprochen?«, fragte Joe.
»Ja, wieso?«
»Klang er so, als hätte er eine Erkältung? Ist Ihnen an seiner Stimme irgendetwas aufgefallen?«
»Nun ja … er wirkte ungeduldig.«
»Könnten Sie das genauer erklären?«
Als sie einen Schlüssel im Schloss hörten, verstummten alle.
»Mom?«, rief Sonja aus der Diele.
»Wir sind im Wohnzimmer«, rief Mrs Ruehling ihrer Tochter zu.
Sonja Ruehling kam ins Zimmer. »Guten Tag … oh, was ist los?«
Ihre Mutter lächelte. »Keine Bange, es ist alles in Ordnung. Die Herren sind von der Polizei. Kein Grund zur Besorgnis. Es geht nur um gestern Abend.«
Sonja runzelte die Stirn.
»Jemand hat gestern Abend bei Ihrer Mutter angerufen und wollte Sie sprechen«, sagte Joe. »Dean Valtry.«
»Dean Valtry?« Sonja drehte sich zu ihrer Mutter um. »Was wollte er?«
»Das hat er nicht gesagt. Er wollte nur, dass du ihn anrufst.«
»Hat er eine Nummer hinterlassen?«, fragte Sonja.
»Nein. Sagen Sie mal, warum fragen Sie nicht ihn , Detective?« Mrs Ruehling blickte Joe an.
»Woher kennen Sie Mr Valtry?«, fragte Joe Sonja.
»Es macht dir doch nichts aus, wenn ich allein mit den Herren spreche, Mom?«, sagte Sonja. »Du musst nicht dabei sein.«
»Na gut. Aber nur, wenn du mir hinterher alles erzählst.« Marjorie nahm einen Apfel aus der Obstschale und ging hinaus.
»Wissen Sie«, sagte Sonja, »es ist wirklich seltsam. Ich kenne Dean Valtry, weil ich mit seinem Freund zusammen war. Aber das ist Jahre her. Damals war ich einundzwanzig oder zweiundzwanzig.«
»Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Mr Valtry gestern Nacht ermordet wurde«, sagte Joe.
Sonja schlug die Hand vor den Mund. »Mein Gott!«
»Und er hat gestern mehrere Male versucht, bei Ihrer Mutter anzurufen. Er wollte mit Ihnen sprechen. Ihre Mutter wollte ihm Ihre Nummer aber nicht geben. Wir würden gerne wissen, warum Valtry mit Ihnen reden wollte. Können Sie uns das sagen?«
»Tut mir leid, ich habe keine Ahnung.« Sonja zuckte die Schultern. »Wir standen uns nicht besonders nahe, wissen Sie. Um ehrlich zu sein, kamen wir nicht allzu gut miteinander aus. Der arme Kerl. Gott hab ihn selig.«
»Erzählen Sie uns bitte, wie Sie ihn kennengelernt
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