Blutbeichte
Mannes mit dem Headset, der auf dem Podium des gut besuchten weißen Zeltes auf und ab schritt.
»Und meine Erlösung war …?«
»Der Herr! Der Herr und Vincent Farraday!«, rief Wanda. Sie sprach über ihren Ehemann, den Sänger, der sie von der Stripperbühne in Stinger’s Creek geholt, der ihr beim Entzug geholfen und sie in seinem schmucken Haus in Denison, vierzig Meilen südlich, aufgenommen hatte.
Der Prediger streckte die Arme aus und blickte an die Studiodecke. »Und meine Kraft liegt …?«
»In meinem Glauben«, sagte Wanda.
»Und?«
»In meiner Liebe«, sagte Wanda.
»Und?«
»In meiner Hoffnung«, sagte Wanda.
»Und in meiner Gleichgültigkeit und meiner eiskalten Seele«, sagte eine Männerstimme.
Duke Rawlins stand in der Tür. Er klammerte sich an den Türrahmen über seinem Kopf und wiegte seinen langen, schlanken Körper hin und her. Im Fernseher jubelte das Publikum.
»Oh, du bist es, Dukey …«, stammelte Wanda und stemmte sich mühsam hoch.
Duke schaute auf den Fernseher. »Du willst dich vielleicht nicht daran erinnern, Mama«, sagte er, »aber früher hast du dir immer Soaps angeschaut, manchmal den ganzen Tag. Ich bin durchs Haus und über den Hof gelaufen. Ich kam zu dir, und du lagst da, und ich hatte überall Kratzer und blaue Flecke und war völlig verdreckt, und dann musste ich mit ansehen …« Er kniff die Augen zusammen. »Und du hast dich zu mir umgedreht und deine letzten Kräfte mobilisiert, um mich wegzustoßen, und dann hast du gesagt: ›Mama muss sich um andere Leute kümmern.‹« Er lächelte. »Und jetzt sehe ich, dass Mama sich um irgendeinen Jesus kümmert.« Seine Miene war von abgrundtiefem Hass verzerrt.
In Wandas Augen schimmerten Liebe und Angst und sechzehn Jahre, drei Tage und sieben Stunden schönen Scheins.
»Du hast sehr böse Dinge getan, Dukey«, sagte sie. »Viele Menschen möchten mit dir sprechen. Dieser Detective aus New York …« Dukes Miene ließ Wanda einen Moment verstummen. Sie hob beschwichtigend die Hände. »Aber ich verstehe jetzt, warum. Warum du das getan hast.«
Duke blickte sie mit schräg gelegtem Kopf an.
Wanda nickte. »Doch, ja, ich verstehe es. Wegen meines Lebenswandels, wegen meiner Sünden ist der Teufel in mich eingedrungen. Ich habe ihm mein Herz geöffnet, und er ist hineingehuscht, verharrte in meinem Innern und wuchs nebendir heran. Und als du meinen Leib verlassen hast, da war er in dir …«
Duke lachte prustend und konnte sich kaum beruhigen. »Du blöde Ziege«, sagte er schließlich. »Du hast echt ’n Knall.«
»Ich will dir helfen, Dukey. Ich möchte Buße tun.«
»Um dein Gewissen zu erleichtern, Mama. Wie immer.«
»Nein, nein!«, rief Wanda. »Ich tue alles, was du willst. Brauchst du Geld? Ich hab Geld!« Sie zeigte auf ihre Handtasche. »Ich werde keinem sagen, dass du hier warst. Du kannst hierbleiben! Ich werde es niemandem sagen!«
Duke beobachtete schweigend seine Mutter, die immer mehr in Panik geriet.
»Was brauchst du, Duke? Sag es. Ich werde es tun, egal was es ist.«
Plötzlich sah Wanda den mörderischen Hass in seinen Augen. Sie wich stolpernd zurück und griff nach dem Handy, das auf der Lehne des rosafarbenen Sofas lag. Sie hielt es in ihrer zitternden Hand. Duke schwang das recht Bein und trat gegen ihre Hand, sodass das Handy in hohem Bogen durch die Luft flog.
Wanda schrie: »Es ist zerbrochen! Es ist kaputt!«
»Das bist du auch«, sagte Duke und kniete sich neben Wanda.
Mit der Geschicklichkeit, die er in seiner Kindheit erlernt und perfektioniert hatte, wickelte er eine Aderpresse um ihren linken Arm, zog eine Spritze hervor und spritzte Wanda das reinste Heroin, das je durch ihre Venen geströmt war. Ihre verzerrte Miene wich rasch den erschlafften Gesichtszügen, die Duke sehr viel besser kannte. Sie erinnerten ihn an das Gesicht der Frau, das vor gaffenden Männern tanzte; das Gesicht der Frau, die vor dem Schultor auf ihn wartete; das Gesicht der Frau, die verbrannte Plätzchen buk und Freier in sein Kinderzimmer ließ, deren Bedürfnisse eine Frau niemals befriedigen konnte.
Eine Stunde später kam Vincent Farraday aus dem Lebensmittelgeschäft nach Hause. Er eilte zu Wanda, als er ihren erschlafften Körper am Boden liegen sah. Aus dunklen, glasigen Augen blickte sie ihn an, lächelte gequält und starrte dann wieder auf den Fernseher.
Vincent drehte sich zu den beiden Zwillingen um, die neben ihm standen.
»Eurer Mutter geht es nicht gut«, sagte er zu den
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