Blutberg - Kriminalroman
Widerspruch zu ihrer innersten Überzeugung, die so tief verborgen war, dass sie kaum selbst davon wusste. »Genau das hat Björn auch gesagt, mein Körper gehört mir, er ist mein Kapital, oder so etwas, verstehst du, und es gibt massig Kerle, die den wollen.
Also dann kann man doch auch genauso gut Geld damit verdienen, oder nicht? Der muss Zinsen bringen, solange es möglich ist. Warum etwas gratis tun, wenn man Geld dafür bekommen kann?«
Katrín war wie vor den Kopf geschlagen. Sie hatte unzählige Antworten auf diese Frage, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass die im Augenblick kaum etwas bringen würden.
»Hat Björn das allein organisiert?«, fragte sie mit erzwungener Ruhe, »oder hast du noch andere kennengelernt?«
»Da war nur noch der Fahrer«, antwortete Helena achselzuckend.
»Der Fahrer?«
»Ja. Jón hieß der oder so. Der kommt auch aus Reykjavík. Ein total ätzender Typ.«
»Was hat er gemacht?«
Helena schaute hoch, zum ersten Mal, seitdem sie angefangen hatte, zu erzählen.
»Was meinst du damit, was hat er gemacht?«
»Du sagst, dass er total ätzend war?«
»Ach, das meinst du. Nein, der hat eigentlich nichts gemacht, nicht so. Er war einfach ätzend. Hat immer dämlich gegrinst, hat sich wohl für’nen geilen Typen gehalten, immer mit’nem Kaugummi in der Schnauze. Total verpickelt und außerdem fett. Oder vielleicht nicht fett, nur die Figur war das Letzte. Ein richtig mieser Typ, ein Looser.«
Katrín nickte. »Und die anderen?«
»Was für andere?«
»Die Freier.« Trotz des schummrigen Lichts sah Katrín, dass das Mädchen heftig zusammenzuckte.
»Die waren … unterschiedlich …« Und dann fing sie an zu weinen. Endlich, dachte Katrín. Es begann verhalten, doch bald heulte sie Rotz und Wasser, und das unkontrollierte Schluchzen schien kein Ende nehmen zu wollen. Katrín stand auf, ging
zu Helena hinüber, ging vor ihr in die Hocke und ergriff die Hände des Mädchens. Und wartete.
Stefán beendete das Gespräch, steckte sein Handy in die Brusttasche und lehnte sich mit den Händen im Nacken auf dem quietschenden Stuhl zurück. Als er einige Minuten vollkommen reglos dagesessen und die weiße Decke angestarrt hatte, stand er auf und stapfte auf den Korridor hinaus. Klopfte an die Tür zum nächsten Büro, öffnete sie einen Spalt und bedeutete Katrín, herauszukommen.
»Wie läuft es?«, fragte er.
»Viel zu gut«, antwortete Katrín schaudernd, »aber andererseits auch wiederum nicht. Ist was?«
»Ich möchte, dass du das Mädchen in den Schlaftrakt bringst und dafür sorgst, dass sie ein Zimmer bekommt. Sag Guðni, dass er jetzt mit ihr sprechen darf. Punkt sechs hat er aber wieder hier zu erscheinen. Dasselbe gilt für dich. Ich gebe Árni Bescheid und auch den Jungs aus Egilsstaðir, wir können wirklich jeden gebrauchen. Die Sache mit der Prostitution muss warten.«
Katrín trat ganz auf den Flur hinaus und schloss die Tür vorsichtig hinter sich. »Was ist los?«, fragte sie leise. »Hat sich etwas Neues ergeben?«
Stefán blickte nach rechts und links. Einige Türen standen halb offen, und in den Zimmern war Licht. Er schüttelte den Kopf.
»Bring jetzt das Mädchen weg und komm um sechs. Ich muss nachdenken.« Er ging zurück in sein Büro und machte die Tür hinter sich zu. Er rief Árni an, der ihm ungefragt verkündete, dass er jetzt stolzer Besitzer von langen Unterhosen, Wollsocken, Fleecehandschuhen, Fleecemütze und einem Unterhemd mit langen Ärmeln sei. Stefán beglückwünschte ihn dazu und sagte ihm, dass er Punkt sechs in seinem
Büro zu erscheinen hätte. Anschließend beendete er das Gespräch ohne weitere Erklärungen und rief Steinþór an.
»Wo bist du gerade?«
»Wir sind hier auf der Station, in unserer Bude hier. Soll ich vor die Tür treten und dir winken?« Er war hörbar verstimmt. Stefán war zu keinem Gespräch aufgelegt gewesen, als sie Helena zu ihm brachten, er hatte sie beinahe vor die Tür gesetzt.
»Spar dir das«, sagte Stefán. »Es wäre aber gut, wenn ihr euch um sechs Uhr hier einfinden könntet.«
»Ach nee. Haben Euer Gnaden vielleicht noch weitere Wünsche?«
»Ja, in der Tat«, sagte Stefán, den höhnischen Unterton seines Kollegen geflissentlich überhörend. »Da ist noch etwas. Ihr habt keine Spur, keinen Trampelpfad bemerkt, der zum Haus von Ásmundur führte oder von ihm wegführte, als ihr am Sonntag dort wart?«
»Weshalb fragst du danach?«
»Weil ich das wissen muss.«
Stefáns Worte forderten zwar
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