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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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einmal.
    Ich nickte erneut. Und rutschte gleichzeitig möglichst unauffällig ein Stück von ihm weg. Dass er seinerseits zurücktrat und mir mehr Raum ließ, sagte mir ziemlich deutlich, wie unauffällig ich gewesen war.
    Als wollte er sie sauber wischen, rieb er mit den Händen über seine Oberschenkel. »Rafael kommt übrigens nach Hause
zurück. Je nach dem, wie er einen Flug bekommt, heute Nacht oder morgen früh. Er zieht mal wieder first class mit Rundumservice und gut aussehenden Stewardessen meinem Jet mit Selbstbedienung und Lope und seinem Kopiloten als Gesellschaft vor. Ich soll dir Grüße bestellen und dich ›vorwarnen‹. «
    »Vorwarnen?«
    »Dass er wieder da sein wird und du erneut das Vergnügen haben wirst, in den Genuss seines unwiderstehlichen Charmes zu kommen.«
    Ich schnalzte mit der Zunge, bemühte mich um einen unbeschwerten Tonfall. »Charme? Welcher Charme?« Einen Moment zögerte ich. »Was hast du eigentlich zu ihm gesagt, in der Nacht, als er mich nach Santa Reyada gebracht hat?«, fragte ich dann doch.
    Der Hauch eines Lächelns, der eben noch in seinem Mundwinkel gewesen war, war mit einem Schlag wie weggewischt. Stattdessen presste er plötzlich die Lippen zu einem harten Strich zusammen. Sekundenlang.
    »Ich habe ihn gefragt, warum er dich hergebracht hat. Und ihn ein ›Rindvieh‹ genannt«, sagte er endlich.
    Er hatte mich nicht auf Santa Reyada haben wollen? Für einen Moment wusste ich nicht, was ich sagen sollte. War sein ›Sie hätten dich niemals finden sollen‹ so ganz anders gemeint gewesen, als ich es verstanden hatte? »Warum?« Meine Stimme klang dünn, als ich sie schließlich doch wiederfand.
    Er sah beiseite, starrte auf einen Punkt auf dem Felsen, direkt neben der Stelle, an der ich saß. Sein Schweigen war … ernüchternd. Tat weh. Ohne dass ich mir selbst erklären konnte, warum.

    Als es zu lange dauerte, stand ich auf, machte kehrt, ging zum anderen Ende des Felsens. Das Wasser plätscherte und gurgelte, schwappte immer wieder über den Rand. Ich sah ihm dabei zu. Sekunden. Minuten. Ewigkeiten. Weder rührte Joaquín sich hinter mir, noch sagte er etwas.
    Irgendwann setzte ich mich, zog Schuhe und Strümpfe aus, rutschte ein Stück näher an den Rand und stellte meine Füße dorthin, wo das Wasser über sie hinwegspülen konnte. Es war wunderbar kühl. Und so klar, dass man jeden Kiesel in ihm perfekt erkennen konnte. Ich schloss die Augen. Legte die Handflächen rechts und links von mir flach auf den Stein. Ignorierte, dass sich das Brennen verstärkte. Konzentrierte mich stattdessen auf die Wärme des Steins unter ihnen.
    Ich biss die Zähne zusammen, als ich ihn irgendwann dichter hinter mir spürte. Schweigend. Scheinbar bewegungslos.
    »Warum?« Wie lange es dauerte, bis ich die Frage endlich stellte, wusste ich nicht genau. Es war mir auch egal.
    »Warum was?« Er kam näher. »Warum ich dich nicht auf Santa Reyada haben wollte?«
    Ich wollte Ja sagen. Doch mit einem Mal waren da noch ganz andere Fragen in meinem Kopf: Warum hassten und fürchteten ihn die Leute in San Isandro nicht? Warum war da alles so anders, als Tante María es mir immer beschrieben hatte? Warum war er so anders?
    »Tante María hat immer …«
    »Warte mal! Tante María?« Sein Tonfall brachte mich dazu, mich zu ihm umzudrehen. Entschieden schüttelte er gerade den Kopf. »María war nicht deine Tante!«
    Was? Ich bekam das Wort nicht heraus. Starrte ihn nur an.
    »María war nicht deine Tante«, wiederholte er, als ich nach
einem Augenblick noch immer keinen Laut von mir gegeben hatte. »Sie war wahrscheinlich noch nicht einmal entfernt mit dir verwandt.«
    Ein Zittern kroch in meinem Inneren empor. Nein, kein Zittern; ein Wimmern. »W-was?« Das konnte nicht sein! Nein!
    Abermals schüttelte er den Kopf. Ebenso entschieden wie zuvor. »Genau das hat sie damals auch behauptet, als sie kurz vor Weihnachten auf Santa Reyada auftauchte. – Sie sagte, sie sei die Schwester deines Vaters, dass deine Mutter dich gegen seinen Willen zu uns gebracht hätte, dass er vor einigen Wochen gestorben wäre und dass es sein letzter Wille gewesen sei, dass sie dich von uns wegholt und zu sich nimmt. Sie hatte sogar die entsprechenden Papiere dabei. Du wolltest um keinen Preis mit ihr gehen. Auf den ersten Blick war alles echt und absolut legal. Auch noch auf den zweiten. Selbst Estéban hat Tage und Hunderte von Anrufen gebraucht, bis er den Schwindel aufdecken konnte. Aber bevor er sie zur

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