Blutbraut
beeindrucken. »Ja, man merkt, dass ihr euch schon gegenseitig die Schnuller gestohlen habt. – Fakt ist: Meine Frau ist schwanger. Und ich werde nicht erlauben, dass sie Teil dieses Kreises ist. Oder irgendeines anderen in den nächsten neun Monaten.« Er trat dicht neben sie, legte den Arm um ihre Schulter, nahm ihre Hand in seine und hauchte ihr einen Kuss auf die Fingerknöchel. Soledad lächelte ihn an, strich ihm über die Wange. Anscheinend war ihr Ärger zumindest ein klein wenig verraucht, denn immerhin war es wohl nicht mehr länger ihr Ziel, Joaquín mit Blicken zu erdolchen.
Cris räusperte sich. »Ich könnte Augusto anrufen und fragen, ob er den Kreis vervollständigen möchte.« Er wies mit dem Daumen hinter sich zum Haus.
Fernán ließ für einen Moment die Hand seiner Frau ein kleines Stück sinken. »Jacinta lässt heute Abend eine Messe für Miguel lesen. Ich denke nicht, dass er Zeit hat.« Er hob ihre Hand wieder zu seinen Lippen.
Joaquín schüttelte den Kopf. »Nein. Ohne eine Blutbraut im Kreis kann ich das Ganze auch allein …«
»Warum vervollständigt Lucinda nicht den Kreis?«, unterbrach Soledad ihn. »Das habe ich mich sowieso schon die ganze Zeit gefragt.«
Ich hielt den Atem an.
»Nein!« Cris’ Ton war verblüffend heftig. »Das ist zu gefährlich. Sie hatte noch nie etwas mit Hexerei zu tun.«
Zwischen Joaquíns Brauen erschien eine scharfe Falte. Soweit ich erkennen konnte, war er nicht der Einzige, der seinen Bruder überrascht ansah.
»Mit deiner und Fernáns Hilfe könnte ich den größten Teil der Mächte an ihr vorbeiführen«, sagte er schließlich. »Wenn ihr beide …«
Mit einer scharfen Geste schnitt Cris ihm das Wort ab. »Das Risiko ist zu groß. Ich werde nicht …«
»Santa Reyada hat schon viel zu lange keine Sanguaíera mehr gespürt«, hielt Joaquín dagegen. Erschreckend hart. Und doch zugleich erstaunlich … sanft.
»Nein! Du kannst sie nicht …«
»Warum lassen wir Lucinda nicht selbst entscheiden?« Joaquín drehte sich um, sah zu mir herauf.
Langsam drückte ich mich vom Boden hoch, stützte mich mit beiden Händen auf der Brüstung ab. Sie zitterten ein wenig. »Was … müsste ich denn tun?«
»Nein, Lucinda! Es ist zu gefährlich!« Cris klang regelrecht ärgerlich. Wütend.
»Nicht viel.« In Fernáns Arm schmiegte Soledad sich ein wenig enger an ihren Mann. »Du musst dich nur auf das Wasser konzentrieren. Dir vorstellen, wie der Regen auf die Erde fällt; die Geräusche, die er dabei macht; den Geruch dabei und danach. Es ist nicht schwer, weil unsereins dabei nur das ›weibliche Element‹ ist.«
»›Nur.‹« Fernán lachte.
Soledad beachtete ihn gar nicht. »Und Cris übertreibt.« Sie
warf ihm einen kurzen, schnellen Blick zu, schüttelte den Kopf, ehe sie wieder zu mir schaute und andeutungsweise die Schultern hob. »In Ordnung, es ist Wetterhexerei, und die ist gefährlich. Aber nicht für dich. Nicht, wenn sie den größten Teil der Mächte an dir vorbeilenken. Und ganz bestimmt nicht, wenn Joaquín den Kreis führt. Mit ihm gehe ich in jeden Kreis.« Sie zog die Nase kraus. »Es widerstrebt mir zwar, dieses ohnehin zu große männliche Ego noch zusätzlich zu streicheln, aber es ist nun einmal so: Er ist leider der Beste, den die Hermandad derzeit zu bieten hat.«
»Ich danke dir, gatita.« Joaquín legte die Hand flach auf die Brust und deutete eine spöttische kleine Verbeugung an.
Mit einem übertriebenen Seufzen sah sie zu ihm hin. »Ich sage nur die Wahrheit. Also bilde dir nicht zu viel darauf ein, de Alvaro.« So herablassend die Worte klangen, da war ein Unterton in ihrer Stimme, der etwas anderes verriet. Ihr Blick kehrte zu mir zurück. »Dir wird nichts geschehen, Lucinda. Da bin ich sicher.«
In erwartungsvollem Schweigen sah alles zu mir herauf. Soledad lehnte den Kopf gegen Fernáns Schulter, lächelte mir zu. Ihr Mann nickte aufmunternd. Rafael hob eine Braue. »Komm schon, tigresa. Versuch es!« Cris’ Miene verriet nur zu deutlich, was er davon hielt: gar nichts.
Unschlüssig stand ich da, biss mir auf die Lippe. Mein Herz klopfte.
»Es ist deine Entscheidung, Lucinda.« Joaquín hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben. »Du musst es nicht tun.« Ich begegnete seinen Augen; farblos glitzernd. Kühl. Gelassen. Und … da war noch etwas. In ihren Tiefen. Beinah verborgen. Ich wusste nur nicht genau, was. Was ich aber wusste, war: Er
meinte es genau so, wie er es sagte. Es war meine Entscheidung
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