Blutbraut
dem Ordre zusammen war. Einem, der zwar nur ein einfacher Heiler war, aber eben aus dem Ordre.« Sie stieß die Luft mit einem Zischen aus. »Himmel, war das ein Geschrei. Der alte de Alvaro hat seine Männer geschickt, die haben mich aus dem College geholt, nach Hause befördert und ganz nebenbei Fernán übelst verprügelt. Als kleine Warnung. Ich habe den Alten zur Rede gestellt, als ich das Ergebnis gesehen habe. Fernán tauchte nämlich in San Isandro auf und machte allen klar, dass er sich nicht abschrecken
lassen würde, wenn ich ihn wollte. Ich glaube, ich habe gekreischt wie eine Furie. Sie haben mir Hausarrest verpasst. Natürlich war meine Familie genau derselben Ansicht wie der Alte. Dass ich in Hungerstreik getreten bin, hat sie nicht interessiert. Aber irgendwie hat Joaquín davon erfahren. Und dann stand er in meinem Zimmer und wollte nur eins wissen: ›Willst du diesen Ordre-Heiler um jeden Preis?‹ Als ich Ja gesagt habe, meinte er nur: ›Dann kriegst du ihn.‹ Fernán hat mir später erzählt, dass Joaquín am gleichen Tag bei ihm im Motel aufgetaucht ist; kalt, distinguiert; vielleicht sogar noch kälter und distinguierter als sein Vater; dass er erst mal versucht hat, ihn einzuschüchtern, als wollte er sehen, ob es ihm auch wirklich ernst mit mir ist. – Ich meine, hallo? Joaquín de Alvaro! Schon damals wusste jeder, wer er war. Der Vollstrecker der de-Alvaro-Familie. Mit so gut wie hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit der nächste Patron. Und das wird man in dieser Familie nicht, wenn man nicht wirklich mächtig ist. Nur ein Vollidiot hätte sich mit ihm angelegt. – Aber als Fernán sich nicht hat einschüchtern lassen, muss er wohl etwas losgelassen haben wie: Sollte Fernán mir jemals wehtun, wäre es für ihn besser, wenn er nicht mehr unter den Lebenden weilt, bis er, Joaquín, davon erfährt.« Sie schob die Finger ineinander, plötzlich ein Bild der Unschuld. »Aber von diesem Augenblick an war Joaquín mein Alibi, wann immer ich mich mit Fernán getroffen habe.« Doch dann stieß sie erneut ein Seufzen aus. »Der ganze Tanz ging nach dem Tod von Joaquíns Vater von vorne los. Diesmal mit Tomás und dem Konsortium. Irgendwann ist Joaquín der Kragen geplatzt. Er hat mir eine Frist gesetzt, binnen derer ich ihm einen Hochzeitstermin nennen sollte. Ansonsten würde er mich und Fernán nach Vegas schleifen und dort trauen lassen.
Damit die ganze Sache endlich ein Ende hat. Als er den Termin wusste, hat er alles Weitere in die Wege geleitet. Es war ein atemberaubendes Fest. Ich muss dir bei Gelegenheit mein Brautkleid zeigen. Ein absoluter Traum.« Mit einem kleinen, verschwörerischen Lächeln sah sie mich aus dem Augenwinkel an. »Ich wäre gerne Maus gewesen, als er dem Konsortium gesagt hat, sie sollten sich nicht so aufführen. Nachdem ich für keinen Hexer aus den Familien, die zu denen der de-Alvaro-Familie gehören, als Blutbraut ›passen‹ würde, würde ich auf diese Weise – also wenn er mich dem Ordre-Heiler gibt – zumindest nicht die Macht einer der anderen Familien vergrößern, weil ich irgendwann einen ihrer Hexer davor bewahre, Nosferatu zu werden.« Das Lächeln vertiefte sich. »Und dass er jeden weiteren Widerspruch in dieser Sache als persönliche Herausforderung ansehen würde.«
Ich starrte sie an.
Soledad nickte. »Ja, Joaquín kann ein ziemliches Herzchen sein, wenn er will. – Ich glaube, ein paar Leute sind daran fast erstickt. Allen voran Tomás.«
»Und trotzdem seid ihr hiergeblieben?«
Ihr Lächeln wurde wehmütig. »Hier ist mein Zuhause. Und nachdem Fernán sich mit einer Blutbraut der Hermandad eingelassen hatte, war er beim Ordre nicht mehr wirklich willkommen. Da es unter den Hexern der Hermandad normalerweise keine Heiler gibt, hat Joaquín Fernán die kleine Klinik angeboten. Der alte Arzt von San Isandro wollte sich schon lange zur Ruhe setzen und hatte bereits eine ganze Zeit erfolglos einen Nachfolger gesucht. Es war einfach ideal. Und ganz nebenbei konnte Joaquín mich auf diese Weise in der Nähe behalten und sicherstellen, dass sich niemand an mir rächen würde.«
Sich an ihr rächen? »Wieso sollte jemand das tun?«
»Eine Blutbraut der Hermandad gibt sich einem Heiler des Ordre hin. Das war ein Schlag ins Gesicht jedes einzelnen Hexers der Hermandad. Dass sie nicht direkt einen Scheiterhaufen für mich errichtet haben, war vermutlich nur dem Umstand zu verdanken, dass sie sich nicht darüber einigen konnten, wer die Fackel
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