Blutbraut
Ordnung. Bis dann.«
Wir legten gleichzeitig auf. Eine Sekunde saß ich regungslos, umklammerte das Handy. Mein Leben lang war ich vor ihm davongelaufen. Und jetzt war ich bereit, seinetwegen in seine Welt zurückzukehren. Wenn auch nur für kurze Zeit. Warum? Weil ich glaubte, es ihm schuldig zu sein? Nein, das war es nicht. Nicht ganz. Zumindest fühlte es sich nicht so an. Aber warum dann? – Ich hatte keine Antwort darauf.
Oder doch?
Entschieden verdrängte ich die Frage. Ich brauchte einen Flug nach L.A. Über alles andere konnte ich mir später Gedanken machen. Eine Sekunde starrte ich auf das Display des Handys, versuchte herauszufinden, ob und wie ich damit ins Internet kam … Es war einfacher, als ich erwartet hatte.
Die Website des Flughafens von San Francisco zu finden und dort die Flüge nach Los Angeles, ging noch schneller. Anscheinend flogen United – und Delta-Airlines L.A. in den kürzesten Abständen an. Auf gut Glück rief ich zuerst bei United an und hatte eine knappe Minute später eine freundliche Frauenstimme in der Leitung, die mich auf mein »Ich brauche einen Platz auf dem nächsten Flug nach Los Angeles« fragte, wie schnell ich denn am Flughafen sein könnte. Dass ich im Gegenzug wissen wollte, wie lange man etwa von der Golden Gate Bridge aus zum Flughafen brauchte, irritierte sie für eine Sekunde anscheinend ziemlich, bevor sie mir »Eine gute halbe Stunde.« mitteilte. Dann war das Klappern von Tasten zu hören und gleich darauf erklärte sie mir, dass sie erst in zwei Stunden wieder einen Platz auf einer Maschine hatte. Ich unterdrückte ein Stöhnen. Das war zu lang! Mein Blick fiel auf das Bündel Geldscheine. »Und was ist erster Klasse?« Sie ließ ein Schnalzen hören, als wollte sie sagen: ›Warum haben Sie das nicht gleich gesagt.‹ Wieder klackten Tasten. »Da habe ich noch etwas auf dem nächsten … Nein, das schaffen Sie nicht. – Aber auf dem übernächsten Flug. In einer Dreiviertelstunde.« Abermals Tastenklappern. »Soll ich Sie darauf einbuchen, Mrs …«
»Luc…« Ich biss mir auf die Zunge, kaschierte meinen Patzer mit einem Husten. »Luca Marini.« Bei dem Rest der Daten, die sie abfragte, spickte ich sicherheitshalber bei meinen neuen Papieren. Der Umstand, dass ich bar und nicht mit Kreditkarte
bezahlen wollte, irritierte sie ein weiteres Mal. Ich hörte, wie sie alles in ihren Computer eingab. »Gut, Mrs Marini. Das Ticket liegt am Check-in-Schalter von United Airlines in Terminal 3 für sie bereit. Sie können es dort dann auch bezahlen.« Sie nannte mir noch einmal die Flugnummer und die Abflugzeit – in jetzt 39 Minuten – und wünschte mir einen guten Flug. Ich hatte sie weggedrückt, ehe sie aufgelegt hatte, stand auf, schob das Handy in die Hosentasche und lief die Treppe hinauf, um mir zumindest Schuhe anzuziehen.
Erst in meinem Schlafzimmer wurde mir klar, dass ich meine Sachen schon seit drei Tagen trug. Doch den Gedanken, mich umzuziehen, verwarf ich direkt wieder, schlüpfte stattdessen hastig in meine Docs. Ich konnte es mir nicht leisten, unnötig Zeit zu verlieren. Immerhin wusste ich ja noch immer nicht, wo ich hier ganz genau war – geschweige denn, wie lange es dauern würde, bis ich ein Taxi zum Flughafen auftreiben konnte.
Im Wohnzimmer schnappte ich mir den Schlüsselbund, schob mir das Bündel Geldscheine und meine neuen Papiere in die Hosentasche und stürmte aus dem Haus.
Wie durch ein Wunder fand ich ziemlich schnell ein Taxi. Dass der Fahrer mir vollkommen entspannt versicherte, dass wir es rechtzeitig zum Flughafen schaffen würden, beruhigte meine Nerven trotzdem nicht wirklich. Entsprechend beugte ich mich bei jedem Stopp auf meinem Sitz vor, um den Grund für die Verzögerung herauszufinden.
Meine Anspannung ließ erst etwas nach, als wir auf die Flughafen-Zufahrt einbogen und das riesige Terminalgebäude aus Glas und weißem Stein vor uns auftauchte.
Ich hetzte durch die automatischen Glastüren in die hohe,
helle Halle, in der die Inlandsflüge abgefertigt wurden, kam schlitternd auf dem glänzenden Steinboden zum Stehen, sah mich hastig um, um mich zu orientieren, und stürmte dann zum Check-in von United Airlines. Der junge Mann an dem Schalter, auf den ich zuhielt, sah mir im ersten Moment entgegen, als rechnete er damit, dass ich gleich eine Waffe hervorzerren würde.
Das Ticket wartete tatsächlich auf mich. Mein Herz klopfte wie verrückt, als ich ihm meine falschen Papiere hinschob. Er warf einfach
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