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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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nur höflich lächelnd einen Blick darauf, verglich die Daten und gab sie mir zurück. Dass ich bar und nicht mit Kreditkarte bezahlte, sorgte offenbar erneut für gewisse Irritationen. Aber da er anscheinend doch zu dem Schluss gekommen war, dass er keine gemeingefährliche Terroristin vor sich hatte, sondern nur jemanden, der sehr verzweifelt seinen Flug noch erreichen wollte, siegte die Professionalität. Er erklärte mir rasch, aber nett den Weg zum Gate und versprach obendrein, dort anzurufen und Bescheid zu sagen, dass noch jemand auf dem Weg zu ihnen war. Ich hätte nicht gedacht, dass mein Herzschlag sich noch einmal beschleunigen könnte, aber am Sicherheitscheck bewies mein Körper mir das Gegenteil. Doch meine neuen Papiere hielten auch dieser Überprüfung stand.
    Meine Nerven lagen blank, als ich mich auf meinen Sitz im Flugzeug fallen ließ. Dass ich in der ersten Klasse war und obendrein sogar einen Fensterplatz hatte, war mir dabei vollkommen egal. Die Blicke, die mir zugeworfen wurden, wurden mir erst bewusst, als ich wieder halbwegs zu Atem gekommen war.
    Offenbar hatte ich es tatsächlich gerade noch geschafft, denn kaum war ich an Bord, erwachten die Triebwerke zum Leben und gleich darauf setzte sich die Maschine in Bewegung. Ich sah
nach draußen, als wir endgültig abgehoben hatten. Die Startbahn war bereits nur noch eine von mehreren grauen Streifen in der Tiefe. San Francisco blieb mit jeder Sekunde weiter hinter uns. Ich holte zittrig Luft, presste die Hände auf die Armlehnen. Damit war ich unwiderruflich auf dem Weg zurück nach Los Angeles. Zurück in seine Welt. Zurück zu ihm. Es fühlte sich irgendwie surreal an. Die Frage: Was tue ich eigentlich hier? Bin ich eigentlich noch ganz dicht?, geisterte immer wieder durch meine Gedanken. Mein ganzes Leben war ich vor Joaquín davongelaufen. Und jetzt … krampfte sich bei der Vorstellung, er könnte verletzt oder getötet werden, etwas in meiner Brust zusammen. So sehr, dass es beinah wehtat. – Was absolut irrational war; ein riesiger Widerspruch in sich. Denn allein bei dem Gedanken, dass er seine Zähne in meinen Hals schlagen, mein Blut trinken könnte, wurde jeder Atemzug noch immer sofort zur Kraftanstrengung. Und zugleich … wünschte ich, es wäre anders. Ich verurteilte ihn zu einem Dasein als Nosferatu. Nein. Schlimmer. Man erwartet von ihm, dass er einer rituellen Hinrichtung zustimmt, hatte er mir am Pool gesagt. Ich verurteilte ihn dazu, sich freiwillig umbringen zu lassen. Oder den Rest seines Lebens auf der Flucht zu verbringen. So wie ich die ganze Zeit.
    Konnte ich das? Ich wusste, wie sich ein solches Leben anfühlte. Konnte ich das wirklich?
    Beinah war es erstaunlich, wie sehr dieser Gedanke meine Kehle eng werden ließ. Denn: War einem Teil von mir das nicht schon seit jener Nacht am Pool klar gewesen? Die Antwort war klar: ja. Nur hatte vermutlich ein weitaus größerer Teil diese Tatsache bisher einfach äußerst erfolgreich verdrängt.
    Ich ließ den Kopf gegen die Rückenlehne fallen, starrte die
Decke an. Die Sonne malte grelle Flecken darauf. Aber Joaquín hatte anscheinend niemals vorgehabt, sich von den anderen Hexer der Hermandad umbringen zu lassen. Nein. Ebenso wenig, wie er vorgehabt hatte, endgültig Nosferatu zu werden. Den Beweis dafür hatte Rafael ja im Kofferraum des Lamborghini gefunden.
    Ich schloss die Augen.
    Ich wünschte, ich könnte es über mich bringen. Ich wünschte, ich könnte es ertragen. Ich wünschte es wirklich. Aber ich konnte es nicht. Etwas in mir krümmte sich allein bei der Vorstellung nach wie vor zusammen, schrie und flehte. Ich konnte es nicht zum Schweigen bringen. Sosehr ich es versuchte.
    Für eine Sekunde presste ich die Lider fester aufeinander, dann öffnete ich sie wieder, sah aus dem Fenster, versuchte, die Gedanken und das seltsam dumpfe Gefühl in meinem Inneren zu verdrängen. Versuchte, nicht weiter zu denken als zu dem Treffen mit Cris und der Lösegeldübergabe. Und dass die Entführer Joaquín gehen ließen. – Danach …
    Ich wusste nicht, was danach sein würde. Und ich war nicht sicher, ob ich es überhaupt wissen wollte. Ich wusste nur eins: Ich wollte nicht, dass Joaquín starb. Egal aus welchem Grund.
     
    Der Taxifahrer ließ mich kurz vor dem Tor zum Pier raus. Im Abendlicht hatte sich das Meer in eine samtig dunkelgoldene Ebene verwandelt. Junge Leute tummelten sich ebenso auf der Brücke zum Pier wie ältere Pärchen oder Familien mit Kindern. Überall

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