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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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    »Nicht ›ist‹ – ›war‹. Mein Vater. – Wenn es dir recht ist, würde ich jetzt gerne endlich mit dir über alles reden.«
    Seinem Tonfall nach zu urteilen, waren er und sein Vater nicht gerade Freunde gewesen. »Und was, wenn ich nicht reden will? Über was auch immer.«
    Er kam auf mich zu, bis ich zwischen ihm und der Wand unter Rosas Porträt gefangen war. Der Rahmen stach mir in die Schultern. »Dann reden wir jetzt trotzdem.« Schlagartig hatten meine Atemzüge sich in ein Japsen verwandelt. Er trat zurück, wies den Korridor hinunter, in die Richtung, aus der wir gekommen waren. »Ich schlage vor, wir gehen ins Wohnzimmer. « Das ›Nach dir!‹ hing unausgesprochen in der Luft. Es war wie zuvor in der Küche: Ich stand da und mein Mund war wie ausgedörrt.
    Einen Augenblick rührte sich keiner von uns. Dann stieß
er unvermittelt ein Knurren aus, packte mich am Arm, ehe ich auch nur die Chance hatte, zurückzuweichen, und zerrte mich neben sich her. Mein erschrockener Schrei wurde zu einem Keuchen. Dass ich mich mit aller Kraft gegen seinen Griff stemmte, ignorierte er.
    Erst im Wohnzimmer ließ er mich wieder los. Sofort brachte ich den Sessel zwischen uns, während er noch dabei war, die Schiebetüren zu schließen. Über die Länge des Raums hinweg standen wir einander erneut wortlos gegenüber. Schließlich schüttelte er den Kopf und presste mit einem Seufzen die Spitzen von Mittel – und Ringfinger gegen die Schläfe.
    »Ich werde dir nichts tun, Lucinda«, sagte er nach einem weiteren Moment seltsam müde und sah mich wieder an.
    »Und das soll ich glauben, nachdem du mich eben quer durchs Haus geschleift hast?«, fauchte ich aus der relativen Sicherheit meiner Sesseldeckung heraus. War ich eigentlich noch bei Verstand? Ich konnte geradezu sehen, wie der Ärger in seine Augen zurückkehrte.
    »¡Maldita sea! Ich hatte nun mal keine Lust, da oben zu verschimmeln«, zischte er und kam auf mich zu. Hastig wechselte ich hinter das Sofa. Abrupt blieb er wieder stehen, musterte mich, die Zähne scheinbar zusammengebissen. An seiner Wange zuckte es. Unvermittelt ließ er den Kopf in den Nacken fallen, schaute zur Decke; seine Lippen bewegten sich lautlos. Wäre es nicht vollkommen absurd gewesen, hätte man meinen können, er zähle bis zehn. Nach einem weiteren Moment holte er einmal tief Luft und stieß sie wieder aus. »Also gut. Alles noch mal auf Anfang.« Er streckte mir die Hand hin. »Hi. Ich bin Joaquín de Alvaro. Schön dich endlich kennenzulernen, Lucinda Moreira.«

    Ich sah auf seine ausgestreckte Hand, sah ihn an, rührte mich nicht.
    Es fühlte sich an, als sei eine kleine Ewigkeit vergangen, doch schließlich ließ er die Hand wieder fallen. »Ich will nur mit dir reden.«
    Abwehrend schüttelte ich den Kopf. »Es gibt nichts zu reden. Ich will hier nicht sein. Punkt.«
    »Verdammt noch mal, gib mir wenigstens die Chance …« Die Worte waren erneut zu einem Zischen geworden.
    »Nein!«
    Der Geruch von Lavendel wehte zu mir her. Einer der Vorhänge bewegte sich in einem nicht vorhandenen Luftzug.
    »Nicht jetzt, Rosa«, knurrte er gereizt, ohne dabei den Blick von mir zu nehmen.
    Für den Bruchteil einer Sekunde beschlug die spiegelnde Oberfläche des Baumstammtisches zwischen uns.
    »Keine Angst, ich tue ihr nichts.«
    Ich starrte ihn an. Schluckte. Dasselbe hatte er mir wieder und wieder versichert und ich hatte ihm kein Wort geglaubt. Aber in diesem Augenblick glaubte ich es; glaubte ich, dass er mir nichts tun würde. Weil er es Rosa versprochen hatte. Einer Blutbraut, die schon zweihundert Jahre tot war. Es war … verrückt.
    Kurz schien der Lavendelduft ganz nah zu sein. Dann war er vergangen und ich war offenbar wieder allein. – Mit ihm.
    Er sah mich unverwandt an.
    Einen Moment gab ich seinen Blick zurück, dann holte ich tief Luft. Und ging um das Sofa herum – ohne ihn aus den Augen zu lassen. Obwohl meine Kehle sich mit jedem Schritt mehr zusammenzog.

    Betont langsam setzte ich mich.
    »Also gut, reden wir.«
    Wäre das Haus über uns zusammengestürzt, hätte seine Verblüffung nicht größer sein können. Einen sehr langen Augenblick zögerte er, dann ließ er sich so behutsam, als rechne er damit, dass ich es mir bei der kleinsten hastigen Bewegung seinerseits doch wieder anders überlegen und davonlaufen würde, mir gegenüber auf der Kante des Sessels nieder. Die Ellbogen auf die Knie gestützt und die Finger ineinander verschränkt, sah er mich noch

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