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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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Einfach nur Rosa.« Wie zuvor lehnte er sich rücklings gegen die Arbeitsplatte neben dem Herd. »Es gibt ein paar Räume, in denen ich sie noch nie getroffen habe … Und sie verlässt das Haus selbst offenbar nie.«

    Hatte er eben tatsächlich kurz gezögert? »Und du kannst mit ihr reden?«
    »No.«
    Ich blinzelte. »Nein? Aber … wie …«
    »Dass sie nicht reden kann wie du und ich, bedeutet nicht, dass sie sich nicht verständlich machen kann.« Mit dem Kopf wies er zum Fenster. »Mal mehr, mal weniger heftig auffliegende Vorhänge; Schubladen und Schranktüren, die zuknallen … Ich habe zu deuten gelernt, was sie wie tut. Immerhin leben wir lange genug zusammen. – Aber sie tut es nicht oft. Meistens ist sie einfach nur ›da‹.«
    »Und warum nicht?« Er hatte tatsächlich ›leben‹ gesagt.
    »Was?«
    »Warum macht sie sich nicht oft bemerkbar?«
    »Ich vermute mal, dass es sie auf eine gewisse Weise Kraft kostet.«
    Klang logisch. »Das heißt dann vermutlich auch, dass sie sich nicht zeigt, oder? Also so, dass man sie sehen kann?«
    »No. Zumindest nicht, dass ich davon wüsste. – Aber wenn du wissen willst, wie sie ausgesehen hat …«
    Auch wenn es mich selbst überraschte: Ich wollte es wirklich.
    »Jetzt gleich?« Er warf einen beredten Blick auf meinen Teller, als ich nickte. Ein paar Flocken Ei und ein halber, angebissener Toast waren noch übrig. So schade es auch war: Ich hätte keinen einzigen Happen mehr hinuntergebracht.
    »Jetzt gleich«, bestätigte ich und nickte erneut.
    »Dann nach dir!« Mit einer kleinen Verbeugung wies er auf den Durchgang zur Halle.
    Schlagartig war mein Mund trocken. Er erwartete, dass ich vorging, ihm den Rücken zudrehte …

    Ganz offensichtlich deutete er mein Zögern richtig. Seine Augen wurden schmal. Ein harter Zug legte sich um seine Lippen. Also doch. Ich machte einen Schritt zurück. Und fuhr zusammen, als er sich brüsk von der Arbeitsplatte abstieß und zur Tür marschierte. »Lass alles stehen, Rosa. Ich mache das später. – Komm.« Daran, dass das letzte Wort mir gegolten hatte, gab es keinen Zweifel.
    Er führte mich Treppen hinauf und Korridore entlang in den zweiten Stock. Orientalisch wirkende Teppiche verbargen hier das Muster aus gold – und beinah schon kupferfarbenen Dielen des Fußbodens beinah vollständig. An beiden Seiten eines Flurs reihten sich Gemälde aneinander. Darunter waren die Wände nur mit hellem Rauputz überzogen.
    Den ganzen Weg von der Küche bis hierherauf war er steif und schweigend vor mir hergegangen. Einzig auf meine Frage angesichts der Totenstille im Haus, ob es denn kein Personal auf Santa Reyada gab, hatte er mir knapp erklärt: »Früher schon. Jetzt nicht mehr. Einmal die Woche kommen zwei Frauen aus San Isandro für das Gröbste. Das reicht.«
    Vor einem Gemälde ganz am Ende des Ganges, etwas abseits von den anderen, blieb er stehen. »Das ist sie: Rosaria de Alvaro y Moreira.«
    »Moreira?« In einer Mischung aus Schreck und Verblüffung sah ich ihn an.
    Er nickte. »Ihr seid entfernt miteinander verwandt. Eine ihrer beiden Schwestern war deine Ururururgroßmutter.«
    Ich fragte ihn nicht, woher er das wusste, stattdessen wandte ich mich dem Porträt zu. Es zeigte eine junge Frau, die ungefähr ebenso alt gewesen sein musste wie ich jetzt, als das Bild gemalt worden war. Ihr Kleid ließ die Schultern frei. Der
Stoff schmiegte sich an sie wie eine zweite Haut. Ein edelsteinverzierter Kamm ragte aus dem Knoten, zu dem sie das tiefschwarze Haar an ihrem Hinterkopf zusammengedreht hatte. Nur eine einzelne Strähne ringelte sich an ihrem schlanken Hals hinunter bis in ihr Dekolleté. Daneben glitzerte ein schwarzes, an den Rändern mit verschlungenen Fleur-de-Lis-Ornamenten verziertes Kreuz. Ein Schal aus ebenso schwarzer Spitze lag um ihre Schultern. Ihre Haut darunter schimmerte weiß wie Porzellan. Um ihre Lippen spielte ein kleines, versonnenes und zugleich irgendwie verschmitzt-liebevolles Lächeln, so als würden sie und der Maler ein Geheimnis teilen. Ihre Augen waren dunkelgrün. Tiefgrün und von einem hauchfeinen, kaum sichtbaren Ring aus Bernstein und Gold umgeben. Genau wie meine. Ein Spitzenfächer lag geschlossen auf ihrem Schoß.
    »Wann ist sie gestorben?«
    »Sie wurde 1808 hingerichtet.«
    »Hingerichtet?« Erschrocken schaute ich über die Schulter zu ihm zurück.
    »Hingerichtet.« Die Hände in die Jeans vergraben, stand er keinen Meter hinter mir und betrachtete seinerseits Rosas

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