Blutbraut
gezählt. Aber dann wäre er das Risiko eingegangen, dass die Hermandad Anspruch auf dich erhebt und es vielleicht sogar einen anderen jungen Hexer gibt, für den du ›passt‹ – und der möglicherweise mit dir an seiner Seite mächtig genug werden könnte, um ihm Schwierigkeiten zu bereiten.«
»Können sie das denn? Anspruch auf mich erheben?«
»Du bist eine Blutbraut. Per definitionem ›gehören‹ die Blutbräute normalerweise der Hermandad. – Solange ihr tut, was sie wollen, seid ihr das Kostbarste, was es für die Hexer der Hermandad gibt.«
»Er sagte, dass alles sei für die meisten nur ein Geschäft.«
»Das ist es auch. Ein wenig Blut in regelmäßigen Abständen gegen Geld, Gesundheit und ein sehr langes Leben. Für die meisten Blutbräute ist das durchaus auch ohne Liebe in Ordnung.«
Nur dass er vergessen hatte, all die anderen Nebenwirkungen aufzuzählen: dass man die Sonne nicht mehr ertragen konnte; wie ein elender Junkie abhängig vom Blut ›seines‹ Hexers war – mal abgesehen davon, dass eine Blutbraut ohnehin für den Rest ihres Lebens an ihren Hexer ›gebunden‹ war.
Und dass der Biss eines Hexers ›seine‹ Blutbraut ganz nebenbei zu einem hirnlosen Etwas machte.
Ich schlang die Arme um meine Mitte. »Ich kann das nicht.« Starr hielt ich den Blick auf die Tischplatte gerichtet. »Ich kann nicht deine Blutbraut werden. Ich meine … ich ertrage es nicht. Allein der Gedanke …. Ich kann nicht.«
Er sagte nichts. Sehr lange. Irgendwann schaute ich auf. Seine Augen forschten in meinem Gesicht; so als wollten sie ›Und du könntest es noch nicht einmal versuchen?‹ fragen. Ich biss mir auf die Lippe.
»Ich weiß«, nickte er schließlich.
Unwillkürlich hielt ich für einen Sekundenbruchteil den Atem an. Als hätte er es nicht bemerkt, sprach er weiter: »Ich weiß und ich versuche, es zu akzeptieren. Aber ich werde dich nicht gehen lassen.« Seine Worte klangen so endgültig, dass es mir die Kehle zuzog.
»Warum?« Hatte Rosa sich damals ebenso gefühlt?
»Weil du nur hier sicher bist.«
»Das heißt, du tust dasselbe wie Rogier. Du sperrst mich ein.«
Einen Moment lang schloss er die Augen, wandte das Gesicht ab. Schließlich drückte er die Handflächen gegeneinander. »Ich wünschte, du würdest das nicht so sehen.« Sein Blick kehrte zu mir zurück. »Und ich denke, es ist ein Unterschied zwischen einem Kellerloch in einem Bannkreis und Santa Reyada mit seinen Tausenden Morgen, auf denen du dich offen bewegen kannst, weil ich dich nicht vor der Hermandad verstecken muss.«
»Trotzdem hast du mich gestern von Rafael in mein Zimmer sperren lassen, damit sie …«
»Das hatte andere Gründe.« Bei meinen Worten war er zusammengezuckt. »Und Rafael hätte dich nie einschließen sollen.«
»Rafael tut viel, was er nicht soll, was? – Welche Gründe?«
»Das ist nicht wichtig.«
»Warum nicht? Sie betreffen mich …«
»Ich werde mich nicht vor dir rechtfertigen, Lucinda.« Er hielt inne, als die Haustür ins Schloss fiel, runzelte die Stirn. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, wurden die Türen auseinandergeschoben …
»Cris!« Ich war aufgestanden, ehe mir richtig bewusst war, was ich tat. Mein Herz klopfte.
Sein Bruder erhob sich ebenfalls. Seine Miene war eisig.
Einen Moment lang wirkte Cris wie … ertappt, dann lächelte er mir zu.
»Ach, ihr seid hier. Schön, dass es dir wieder gut geht, Lucinda. Als die beiden dich heute Nacht heimgebracht haben … ich habe mir Sorgen gemacht. – Hast du das Konsortium hierher beordert, Joaquín?«
»Wo warst du?«, wollte er wissen.
Cris erwiderte seinen Blick kalt und abweisend. »Spazieren!«
»Spazieren? Seit wann gehst du … Ach, vergiss es. – Wie kommst du darauf, dass ich das Konsortium hierher bestellt habe?«
»Weil ich Tomás’ Limousine auf der Zufahrt gesehen habe. Sie müssten eigentlich jeden Moment hier sein.«
Joaquín zischte.
»Geht es um letzte Nacht?« Cris kam weiter in den Raum.
»Vermutlich. Sie haben sich wirklich nicht viel Zeit gelassen.« Er zögerte, sah von Cris zu mir und zurück. Der Zug um seine Lippen wurde hart und bitter. »Kümmre dich um Lucinda. Ich will nicht, dass Tomás und wer auch immer bei ihm ist, sie sehen«, befahl er seinem Bruder, dann wandte er sich mir zu: »Ich hoffe, du glaubst mir genug, um nicht wieder davonzulaufen, wenn ich dich in Cris’ Obhut lasse, mi flor.«
»Warum dürfen mich die anderen nicht …« Das Pochen des Türklopfers
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