Blutbraut
sagen können, wo er nach einem suchen musste: in meinem Kleiderschrank. Als ich gestern in meinem Entsetzen ein Teil um das andere herausgezerrt hatte, waren auch diverse Badesachen darunter gewesen. – Deutlich mehr, als ich jemals besessen hatte. Mein Blick glitt zu der schillernden und funkelnden Wasseroberfläche. Wer hatte eigentlich das Chaos beseitigt, das ich hinterlassen hatte? Rosa? Vermutlich. Ich musste ihr sagen, dass sie ihre Kraft nicht damit vergeuden sollte, hinter mir herzuräumen. Cris deutete mein Schweigen offenbar anders, denn er ließ ein leises Schnalzen hören. »Du
willst doch nicht ernsthaft den Rest des Tages drinnen verbringen, wie irgendeine langweilige Zimmerpflanze?«
Nein. Ich musste mich nicht im Haus einsperren. Dafür würde er vielleicht noch lang genug sorgen. Und hier am Pool und im Schatten war die Hitze sogar erträglich. Allerdings wollte ich im Moment eigentlich nur eins: allein sein. Irgendwie mit alldem klarkommen, was Cris mir gerade offenbart hatte. Wo, war mir dabei herzlich egal. Aber konnte ich Cris so einfach fortschicken? Cris, der sich angestrengt bemühte, es mir hier so angenehm wie möglich zu machen? Ich käme mir schäbig dabei vor.
»Also? Was ist?« Cris trat dicht hinter mich. Seine Hand an meinem Rücken ließ mich die Schultern hochziehen. Er schien es nicht zu bemerken, massierte sacht meinen Nacken. Ich sah wieder zum Haus, nickte nach einem letzten Zögern. »In meinem Schrank sind Badesachen. Ich gehe mich umziehen.«
In der Küche empfing mich Kühle und Stille. Kein Lavendelduft. Eine Sekunde lehnte ich mich an die Tür, schloss die Augen. Es war zu viel! Alles, was Cris mir erzählt hatte: Es war zu viel! Ich ließ den Kopf in den Nacken fallen. Was hätte ich darum gegeben, mich in irgendjemandes Arme verkriechen zu können, nur für einen kurzen Moment das Gefühl zu haben, dass jemand für mich da war, nicht allein zu sein, in Sicherheit zu sein. Cris hätte sicherlich … Nein! Mit einem Ruck öffnete ich die Augen wieder. Cris war … Nein. Ich wusste nicht, was er für mich war. Ich wollte ihm vertrauen. Ich wollte ihn lieben. Er war mein Traum. Ein Traum, an den sich ein Teil von mir auch jetzt noch klammerte. Und zugleich tat es noch immer zu weh, dass er mich so getäuscht hatte; war die Angst noch immer
zu groß, dass er es wieder tun könnte. Ich rieb mir übers Gesicht. Nein, für den Moment konnte er nur ein Freund sein. Was Cris anging, brauchte ich Zeit.
Entschieden stieß ich mich von der Tür ab und wollte die Küche verlassen. Als in der Halle unvermittelt Stimmen erklangen, drückte ich mich jedoch hastig gegen die Wand neben dem Durchgang. Mehrere Männer. Sie sprachen spanisch. Hart und schnell. Ich erkannte seine Stimme. Rau. Ärgerlich. Ein anderer setzte zu einem Satz an und wurde von ihm schon nach dem zweiten Wort mit einem Fauchen zum Schweigen gebracht. Murmeln und Murren. Wieder er. Knurrend und zugleich scheinbar eiskalt. Die Haustür ging, Sonnenlicht drang grell in die Halle, Hitze wehte herein. Autotüren schlugen. Ein Motor wurde angelassen, das Knirschen von Reifen, als der Wagen losfuhr, sich entfernte. Einen Augenblick später schloss sich die Haustür mit einem dumpfen Krachen. Er durchquerte die Halle, stieg – nein, rannte – die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal. Ich presste mich fester gegen die Mauer, hielt sogar den Atem an, als er keine zwei Meter entfernt an mir vorbeiging.
Stille kehrte in die Halle zurück. Dennoch dauerte es noch mindestens eine halbe Minute, bis ich es wagte, mich von der Wand zu lösen und mich wachsam die Treppe hinaufzutasten. Ich erstarrte auf halber Höhe, als irgendwo im ersten Stock eine Tür knallte. Gleich darauf erschien er auf dem Treppenabsatz über mir.
Abrupt blieb er stehen, als er mich sah. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Dunkelrote Stoffstreifen baumelten von seiner Linken. Seine Augen schienen heller zu sein als heute Morgen. Heute Morgen, als er alle Zeit der Welt gehabt hatte, mir genau das zu erzählen, was ich eben von Cris erfahren hatte.
Die Hilflosigkeit, die ich gerade noch gefühlt hatte, wich Ärger; fachte ihn sogar noch an. Ich war es leid, dass alle Spielchen mit mir spielten. Und er am allermeisten.
Ein Ruck ging durch seinen Körper. Er setzte sich in Bewegung, kam die Stufen herab, weiter auf mich zu.
Ich hob das Kinn. »Ich will mit dir reden.«
»Nicht jetzt.« Seine Stimme war wieder mehr Knurren als irgendetwas
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