Blutbraut
Schaden?
»Lucinda?«
Ich biss mir auf die Lippen, nickte schließlich langsam.
Cris schien regelrecht aufzuatmen. »Dann komm!« Abrupt stand er auf und zog mich in derselben Bewegung ebenfalls auf die Füße.
12
C ris nannte dem Türsteher einen Namen. Ein Bündel Geldscheine wechselte den Besitzer. Der Mann winkte uns durch das Gittertor, wies mit dem Strahl seiner Taschenlampe zu einer der verlassenen Fabrikhallen rechts von uns, vor deren Tor zwei weitere Männer standen, gab ihnen ein Zeichen. Die beiden musterten uns von oben bis unten, ließen uns aber schweigend vorbei. Cris hielt meine Hand fest in seiner.
Die ersten Meter der Halle: graue Dunkelheit. Stimmengewirr und Geschrei. Das mit jedem Schritt lauter wurde.
Dann: schummriges Licht aus Neonröhren. Grölen. Johlen. Es ging unter dem Stahlrohrgewirr eines Baugerüsts hindurch und wir waren Teil der Menge, die sich um den Gitterkäfig in der Mitte der Halle drängte. Die Luft schmeckte schal und feucht, roch nach Schweiß und Zigarettenrauch. Ohne seinen Griff um meine Hand zu lockern, schob sich Cris immer weiter nach vorne. Die wenigsten schenkten uns Beachtung. Zu sehr war ihre Aufmerksamkeit auf das gerichtet, was im Innern des Käfigs geschah.
Offenbar waren wir für diesen Anlass falsch gekleidet. Der Dresscode für Frauen schienen High Heels und hautenges, über den Knien endendes Kleid mit tiefem Dekolleté – wahlweise vorne oder hinten – zu sein. Die Männer trugen zumindest Jackett,
manche sogar Anzug. Livrierte Kellner bewegten sich unauffällig zwischen ihnen. Das, was einige da in ihren langstieligen Gläsern hatten, konnte nur Champagner sein. Auf einer Balkengalerie drängten sich noch mehr Männer und Frauen. Alles johlte und grölte.
Cris hatte mehrfach hektisch telefoniert, auf halbem Weg nach San Diego schließlich umgedreht und war zuletzt zu dieser Adresse in einer Kleinstadt gefahren, deren Namen ich mir noch nicht einmal gemerkt hatte.
Die vorderste Reihe. Ich stieß mit der Schulter gegen den Arm einer Frau. Mit ihren Absätzen war sie gut vier Inch größer als ich. Unwillig drehte sie sich zu mir um. Die grünen Steine ihrer Ohrringe baumelten bis in ihren Ausschnitt. Ihr Blick glitt einmal an mir auf und ab. Sie rümpfte die Nase. Und wandte sich wieder dem Kampf zu, schrie, pfiff durch die Finger.
Vier unter der Decke hängende Strahler beleuchteten das Geschehen in dem Quadrat aus sandbestreuten Brettern und Drahtgitter. Die beiden Männer darin droschen aufeinander ein. Schläge, Tritte. Wichen zurück, umkreisten einander, gingen wieder aufeinander los, prügelten wieder aufeinander ein. Zuweilen war ein Keuchen oder Grunzen zu hören.
Der eine: dunkelblond, nur mittelgroß, beängstigend durchtrainiert. Ein Stier. Und der andere: schwarzes Haar, im Nacken zusammengebunden. Die Jeans knapp unter den Knien abgeschnitten. Keine Schuhe. Nur jene roten Bandagen an den Händen. Der Oberkörper nackt. Die Schwingen auf seinem Rücken schienen sich zu bewegen. Hätte Cris nicht direkt hinter mir gestanden, wäre ich zurückgewichen. Seine Augen waren farblos, glitzerten wie Diamanten, die Fänge nicht zu übersehen
– selbst wenn er sie nicht knurrend gefletscht hätte. Waren diese Leute denn blind?
Sie tauschten einen Hagel von Schlägen. Gegen die Brust, den Bauch, den Kopf. Immer wieder Tritte dazwischen. Er schonte den rechten Arm. Und dann hatte sich plötzlich etwas an seiner Haltung geändert. Seine Brauen zogen sich zusammen. Er hob den Kopf. Wie jemand, der auf etwas … lauschte. Schlug erneut zu. Hart.
Ein Mann uns schräg gegenüber sah kurz von seiner Kamera auf, zu mir herüber, runzelte die Stirn. Und war im nächsten Moment im Gedränge verschwunden.
Sein Gegner ging in die Knie. Die Menge heulte. Er trat zurück. Die Fäuste halb erhoben, abwartend, angespannt. Wischte sich in einer schnellen Bewegung Schweiß und Blut ab, ehe es ihm in die Augen geraten konnte. Sein Blick huschte über die Menge. Als würde er … etwas suchen. Jemanden. Neben mir wedelte ein Mann mit einem Fächer Geldscheine über seinem Kopf zum Käfig hin, brüllte: »Was soll das? Mach schon. Zeig’s ihm, Latino! Mach ihn fertig!«
Er schien ihn gar nicht zu hören. Sein Blick ging für einen Sekundenbruchteil wie sichernd zu seinem Gegner zurück, glitt erneut über die Menge.
Die Frau auf meiner anderen Seite pfiff durch die Finger. »Hoch mit dir, A.J. Lass den Latino nicht noch mal gewinnen!«
Noch mal? Sein
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