Blutbraut
gehen zu lassen?« Diesmal klang meine Stimme scharf – schärfer, als ich eigentlich beabsichtigt hatte. Ich hielt unwillkürlich den Atem an. Zu spät. Der Ärger kehrte unübersehbar in seine Haltung zurück.
»Aus zwei Gründen. Erstens: Es gab zu viele Zeugen. Und zweitens: Ich bin nicht gut darin, den Geist von Menschen zu manipulieren. – Für Cris wäre das kein Problem gewesen, aber ich … No.«
»Was haben die Zeugen damit zu tun?« Er? Nicht gut in irgendetwas, das mit Hexerei zu tun hatte? Cris sollte besser sein? Cris, der von sich selbst sagte, seine Fähigkeiten würden gerade ausreichen, um eine Kerze anzuzünden? Es fiel mir schwer, das zu glauben. »Sie waren viel zu weit weg, um …«
»Nicht weit genug. Und Leonard ist dafür bekannt, dass er nichts aus reiner Menschenliebe tut. Er hätte uns niemals ›einfach so‹ gehen lassen. Außerdem vergisst du seine beiden Schläger. – No, eine falsche Frage von irgendjemandem und Leonard wäre aufgefallen, dass da etwas nicht gestimmt hat.« Sein Ton war nicht minder scharf als meiner zuvor. Ich drückte mich ein wenig tiefer in meinen Sitz. Er warf mir einen kurzen Seitenblick zu. Undeutbar. »Nicht alles lässt sich mit Magie lösen, Lucinda. Wenn dem so wäre, wären einige Dinge deutlich anders gelaufen, als sie es sind. – Lass es einfach gut sein.« Erneut sah er in den Rückspiegel. Die Scheinwerfer waren jetzt beinah direkt hinter uns. Fast schon zu nah. War das Cris? Ich war mir nicht sicher. Warum fuhr er so dicht auf? Er runzelte zumindest die Stirn. Blickte ein weiteres Mal in den Rückspiegel. Angestrengter
diesmal. In dem Moment, in dem ich mich umdrehte, um mehr als nur dunkle Umrisse erkennen zu können, scherte der Fahrer hinter uns aus und kam auf gleiche Höhe.
Überrascht beugte ich mich ein kleines Stück vor, um an ihm vorbeischauen zu können. War das nicht derselbe Wagen, der uns zuvor auf der Ausfallstraße entgegengekommen war? Wie viele Sportwagen mit einer beinah neongrünen Farbe gab es hier in der Gegend?
Er fluchte neben mir. »Max! Warum hat er den Honda – ?«
Der andere Fahrer riss das Lenkrad herum. Krachend stieß sein Wagen gegen die Viper. Drängte uns zur Seite. Ich prallte mit der Schulter gegen die Tür, klammerte mich erschrocken am Griff fest. Mit einem Knurren hielt er dagegen. Metall kreischte. Jenseits der Straße huschten im Scheinwerferlicht gespenstisch fahl nackte Erde und Geröll vorbei, Felsen und Büsche.
Abrupt rückte der andere Sportwagen von uns ab. Die Viper schlingerte, röhrte, machte einen Satz, als er das Gaspedal bis zum Anschlag durchtrat, schob sich mit der Schnauze vor. Auch der Motor des anderen Wagens jaulte auf, zog erneut auf gleiche Höhe. Wieder riss der Fahrer, Max, das Lenkrad herum, drückte sein Auto gegen unseres. Auf Spanisch fluchend hielt er abermals dagegen, konnte gerade noch verhindern, dass wir mehr als nur Sekundenbruchteile mit zwei Rädern von der Fahrbahn abkamen. Wieder schlingerte die Viper, als der andere seinen Wagen abermals jäh auf die andere Seite riss.
Sein Blick zuckte zu mir. »Halt dich …«, er brach ab, zischte. »¡Maldita sea! Warum bist du nicht …? Schnall dich an! Schnell!«
Ich fummelte am Gurt. Max’ Wagen krachte erneut gegen
die Viper. Steine spritzten unter den Reifen davon. Ein harter Schlag. Wieder ein Fluch. Nur aus dem Augenwinkel sah ich, wie er nach mir griff. Ohne nachzudenken, riss ich die Hand weg. In der gleichen Sekunde war der Felsen vor uns. Und dann überschlugen wir uns.
13
T u das nicht, Luz! Wage es nicht! Hörst du? Wage es ja nicht! Halt durch! Wir sind gleich da. Hörst du, Luz? Alles wird gut.«
»Was zum … leg sie hierher.— Lucinda? Lucinda, Liebes, kannst du mich hören?«
»Tu was! Hilf ihr!«
»Lucinda? Hörst du mich? Antworte mir!«
»Verschwinde endlich! Du hast für sie getan, was du konntest! – Ich kann dich hier nicht mehr gebrauchen!«
»Warte um Gottes willen draußen! Du machst mich wahnsinnig! – Cris, schaff mir deinen Bruder vom Hals!«
Da war Schmerz. Und doch wieder nicht. Ich hatte das Gefühl, dass mir der Kopf wehtat, der Rücken und die ganze rechte Seite. Aber zugleich war da einfach nur eine träge, fast angenehme Schwere. Ich spürte die Sonne durch meine geschlossenen Lider. Warm. Ich seufzte leise.
»Sieh an, wer da wach wird. – Hoffentlich hört dein Liebster dann jetzt endlich auf, Furchen in meinen Teppich zu laufen«,
sagte jemand neben mir.
Weitere Kostenlose Bücher