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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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Falte.
    Sichtlich widerstrebend nickte er. »Entschuldige mich, Lucinda. «
    Einen Moment schaute Cris ihm nach, wie er in Richtung Halle und Wohnzimmer verschwand, dann kam er zu mir herüber und umarmte mich. »Happy Birthday.« Ganz leicht streiften seine Lippen rechts und links meine Wangen. Unwillkürlich erstarrte ich – und sah die Enttäuschung in seinem Gesicht, als ich mich von ihm löste.
    Er versuchte, es zu überspielen, indem er an mir vorbeitrat und mir einen Hocker vom Tresen zurückzog. »Bitte sehr! Dann
lass es dir schmecken! – Aber vorher musst du deine Kerzen ausblasen.«
    »Wir sollten warten, bis …« Mein Blick huschte zum Durchgang. Ich grub mir die Zähne in die Unterlippe.
    Cris schnalzte mit der Zunge. »Wenn du noch viel länger wartest, hast du das ganze Wachs auf der Torte. – Komm schon. Für Joaquín ist das in Ordnung.«
    Nur zögernd kletterte ich auf den Hocker, sah noch einmal zum Durchgang, ehe ich mich vorbeugte und die Kerzen ausblies. Mit dem Gefühl, dass es für Joaquín nicht ›in Ordnung‹ war, wie Cris gesagt hatte. Ich brauchte zwei Anläufe, bis keine mehr brannte.
    »Was hast du dir gewünscht?« Cris zog ein Messer aus dem Block und schnitt ein Stück Torte ab.
    Nichts. Ich beobachtete, wie er es mir auf den Teller legte.
    »Also?« Hundeblick. Erwartungsvoll.
    »Wenn ich dir das sage, geht es nicht in Erfüllung.« Irgendwie schaffte ich es, mir ein Lächeln abzuringen. Nichts. Ich hatte mir nichts gewünscht. Dabei wollte ich doch nichts mehr als hier weg, mein altes Leben zurück – nein, genau genommen wollte ich, dass das Davonlaufen ein Ende hatte; wollte ich ein Zuhause; jemanden, der für mich da war, bedingungslos.
    »Stimmt!« Cris schenkte mir Kaffee und Orangensaft ein, schob mir beides zu. Holte sich anschließend auch Tasse, Teller und Gabel aus dem Küchenschrank, nahm sich Kaffee und schnitt sich selbst ein Stück Torte ab. Lässig mir gegenüber an der anderen Seite des Tresens gelehnt, kostete er davon. »Mmm. Genial!« Verzückt verdrehte er die Augen. »Die muss von Luisa sein. Ich frage mich, wie Joaquín sie dazu gebracht hat, eine für dich zu machen. Normalerweise backt sie nur noch für ihre
Familie.« Er gab Zucker in seinen Kaffee, nahm einen Schluck davon, schaufelte sich den nächsten Bissen Torte in den Mund, hielt dann aber inne. »Was ist? Na los, probier schon! – Warte! Hier!«
    Ich starrte ihn an, als er seine Gabel in mein Stück grub und sie mir entgegenstreckte, um mich damit zu füttern – nur um sie keine Sekunde später wieder zurückzuziehen. Sein Blick ging an mir vorbei. Ich drehte mich um. Joaquín stand im Durchgang. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war nicht zu deuten. Und trotzdem glaubte ich für einen kurzen Moment, etwas in seinen so entsetzlich hellen Augen zu sehen: Bitterkeit. Schmerz. Und dann waren sie ebenso kühl wie seine Züge.
    »Es tut mir leid, Lucinda, unser Ausflug muss ausfallen. Ich muss nach L.A.« Er ließ mir nicht die Chance, irgendetwas zu sagen, bevor er sich an Cris wandte und mit dem Kopf hinter sich wies. »Kommst du bitte eine Minute? Ich muss mit dir reden. Unter vier Augen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und verschwand wieder Richtung Halle.
    Unwillig verzog sein Bruder den Mund, stellte dann aber den Teller beiseite und folgte ihm nach draußen.
    Ich saß da und starrte auf mein Tortenstück. Ich konnte es selbst kaum glauben, aber ich hatte mich auf diesen Ausflug gefreut. Auch wenn es bedeutet hätte, einen ganzen Tag mit ihm zu verbringen. Lustlos stocherte ich in Kuchen und Creme herum.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Cris zurückkam.
    Ich ließ die Gabel sinken. »Was ist passiert?«
    Mit einem Schulterzucken griff er wieder nach seinem Teller. »Nichts Wichtiges. Mach dir keine Sorgen.« Er sah zum Durchgang, schien zu lauschen.
    »Aber … was will die Mordkommission von …« – Joaquín –
»… deinem Bruder?« Wo war er in den letzten Nächten gewesen? Tatsächlich in San Isandro, wie Cris gesagt hatte? Oder in L.A.? Hatte er nicht nur ›gejagt‹, sondern auch … getötet?
    Wieder ein Schulterzucken. »Du hast heute Geburtstag! Vergiss das Ganze. Joaquín kommt schon klar.« Er wies auf meinen Teller. »Schmeckt dir die Torte nicht oder womit hat sie es verdient, so massakriert zu werden?« Akribisch kratzte er die Creme auf seinem Teller zusammen, nahm sich ein weiteres Stück. Pflichtschuldig schob ich mir von meinem in den Mund. Kaute.

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