Blutbraut
bis ich neben dem Golf stand. Der Schlüssel steckte. Meine Hände fühlten sich mit einem Mal leicht feucht an.
»Und warum kann man mich bei meiner ersten Fahrstunde nicht in eines von deinen Autos lassen?« Der Kratzer wegen, was?
Ein amüsierter Blick halb über die Schulter. Mit jedem Stück, das sich das Tor mehr hob, krochen Hitze und Helligkeit weiter herein. Er machte einen Schritt zur Seite, weiter in den Schatten. »Du wirst den hier oft genug abwürgen, bis du den Dreh raushast. Und der hat nur etwas mehr als 100 PS.« Er ließ den Schalter los, kaum dass das Tor weit genug in die Höhe gefahren
war, damit der Golf unter ihm hindurchpasste, und kam zu mir und dem Auto herüber. »Außerdem haben meine alle die europäische Gangschaltung. Das da ist ein ganz gewöhnlicher Automatik, wie es sie millionenfach gibt. Rate mal, was du später mit ziemlicher Sicherheit eher fahren wirst.« Er stieg ein, startete den Motor und setzte zurück, raus aus der Garage in die Sonne. Einen Moment stand ich unschlüssig da – bis Miguel mir zugrinste, durch Zeichen zu verstehen gab, dass er das Tor wieder schließen würde, und mich hinauswinkte.
Er hatte recht, was das Abwürgen betraf.
17
J oaquín brauchte eine geschlagene halbe Minute, bis ihm klar war, was ihn aus dem Schlaf holte: diese ganz bestimmte Melodie, die zu jener einen Handynummer gehörte. Er bekam die Augen mit ein wenig Mühe gerade weit genug auf, um den Störenfried auf dem Nachttisch zu finden und zugleich einen Blick auf die Uhr daneben zu werfen. Er hatte kaum mehr als eine halbe Stunde geschlafen.
»N-ja …?« Die Zunge klebte ihm am Gaumen. »Weißt du eigentlich …?«
»Ja, ich weiß. Aber ich denke, das hier wirst du direkt erfahren wollen.« Rafael klang angespannt.
Alarmiert stemmte Joaquín sich auf einen Ellbogen. »Was ist los?«
»Wie wach bist du?«
»Wach genug, um zu begreifen, was du von mir willst.« Er rieb sich übers Gesicht. »Was ist?«
Am anderen Ende holte Rafael tief Atem. »Gerade hat jemand dem Erzengel eine Million Dollar für einen Hit geboten. Zielperson: Lucinda Moreira.«
Abrupt setzte er sich endgültig auf. »Was?« Von einer Sekunde zur nächsten war auch der letzte Rest der bleiernen Müdigkeit vergangen.
»Du hast richtig gehört. – Der Erzengel hat abgelehnt. Offen. Mit der Begründung, dass der Job zu heiß ist, nachdem die Kleine die Blutbraut von Joaquín de Alvaro ist. Ob sich aber nicht doch ein anderer findet, den das Geld genug lockt, dass er das Risiko einge… Fuck!«
»W…«
»Wer auch immer dahintersteht, hat eben gerade verdoppelt. «
Joaquín schloss die Augen. ›Fuck‹ traf es nicht ganz. Ihm zumindest fielen auf Anhieb noch ein paar ganz andere Ausdrücke ein. »Kannst du herausfinden, wer das Kopfgeld ausgesetzt hat?«, fragte er nach einem tiefen Atemzug seinerseits.
Das leise Klappern einer Tastatur drang durch die Verbindung zu ihm. »Ich versuch’s. – Denkst du, es ist einer aus dem Konsortium?«
»Gut möglich. – Sofern sich nicht mehrere Parteien zusammengetan haben …. Bei zwei Millionen wird die Luft ziemlich dünn.« Er wechselte das Handy ans andere Ohr und rieb sich mit den Spitzen von Mittel – und Ringfinger die Schläfe. »Ich tue das sehr ungern, mein Freund, aber könntest du dir vorstellen, dass der Erzengel den Auftrag doch annimmt und eventuell … scheitern könnte?«
»Du meinst, ob das Ego des Erzengels es verkraften könnte, wenn er es nicht schafft, jemanden zu beseitigen, der unter dem Schutz von Joaquín de Alvaro steht?« Rafael schnaubte. »Du bist für mich wie ein Bruder. Ganz nebenbei mag ich deine kleine Tigerin. – Ich denke, ich werde es überleben. Und falls mein Ego doch zu sehr leidet, werde ich mich einfach an deiner Schulter ausweinen.« Wieder das Klappern. »Du solltest trotz allem sehr gut auf dein Mädchen aufpassen. Ich kann nämlich
nicht sagen, wie lange der Auftraggeber stillhält, wenn er keine schnelle Erfolgsmeldung bekommt.«
»Ich verstehe.« Joaquín presste Mittel – und Ringfinger fester gegen die Schläfe. Das Problem war, dass Luz zulassen musste, dass er auf sie aufpasste. Mehr als zuvor. »Danke.«
»Nicht dafür. – Wir sehen uns später.« Ein Klicken und dann verkündete das Besetztzeichen, dass Rafael aufgelegt hatte. Joaquín starrte noch einen Moment auf das Display, fiel dann mit einem Laut, der einem Stöhnen am nächsten kam, auf das Kissen zurück und legte den Arm über die Augen.
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