Blutbraut
die Nase. »Schau, eine Platin-Card. Vielleicht nicht ganz so beeindruckend wie Joaquíns schwarze, aber glaub mir: Es wird mich nicht ruinieren, wenn ich mit dir shoppen gehe.« Er zwinkerte mir zu. »Auch hier nicht.« Damit schob er Karte und Brieftasche wieder an ihren Platz zurück, stieg aus, kam um den Porsche herum und öffnete mir die Tür. »Und ich gedenke, den ganzen Kofferraum und den Rücksitz mit Tüten und Taschen vollzustopfen.« Auffordernd streckte er mir die Hand hin. »Komm schon! Sei kein Spielverderber!«
Mit einem irgendwie mulmigen Gefühl ließ ich mich von meinem Sitz und aus dem Porsche ziehen.
Bis zum Mittag hatte Cris es geschafft, dass ich Jeans und Shirt gegen ein dünnes Baumwollträgerkleid getauscht hatte – allerdings auch nur dadurch, dass er eine der Verkäuferinnen dazu gebracht hatte, einfach meine Sachen aus der Anprobe mitzunehmen und in eine Tüte zu packen, sodass mir nur das Kleid zum Anziehen geblieben war. Es reichte mir bis kurz über die Knie und ich war froh, dass Cris das andere, das ich zuvor auf sein Drängen anprobiert hatte und das deutlich kürzer gewesen war, letztlich doch als ›zu bieder und langweilig‹ hatte zurückhängen lassen.
In dem Geschäft selbst hatte ich keinen Wirbel machen
wollen, und da Cris meinen entsprechend zurückhaltenden Einspruch nur mit einem Lachen und einem verschwörerischen Blickwechsel mit der Verkäuferin abgetan hatte, während er bezahlte, hatte ich meinen Ärger runtergeschluckt. Doch spätestens als wir anschließend den Rodeo Drive weiter entlangschlenderten, hatte ich zugeben müssen, dass der weich fallende Rock deutlich angenehmer zu tragen war als meine langen Jeans. Auch wenn es hier in Los Angeles bei Weitem nicht so heiß war wie auf Santa Reyada. Angenehm – aber ungewohnt.
Im Vergleich zu den anderen jungen Frauen in Shorts oder Miniröcken, denen wir begegneten, waren meine Beine blass; war ich blass. Trotz meiner schwarzen Haare. Mein ganz persönlicher Fluch.
Meine Docs hatten im nächsten Schuhgeschäft einem Paar Sandalen weichen müssen. Flachen Sandalen! Nicht solchen mit Absatz, wie Cris sie mir als Erstes hatte zeigen lassen.
Mit jedem Geschäft, zu dem Cris mir die Tür aufhielt, hatte ich mehr und mehr den Verdacht, dass er nicht das erste Mal auf dem Rodeo Drive mit einem Mädchen shoppen ging. Manch eine der Verkäuferinnen begrüßte ihn mit Namen oder schien seinen Geschmack, was die Kleider einer Frau anging, ganz genau zu kennen. Endgültige Gewissheit hatte ich, als ich ihn auf der anderen Seite der Anprobe mit einer der Verkäuferinnen reden hörte: über jemanden mit dem Namen Roxane. Die so viel mehr sein ›Typ‹ war als ich. Von der er sich allerdings schon zu Weihnachten getrennt hatte. Eine Sekunde lang hatte ich wie erstarrt dagestanden. Bis ich mir klargemacht hatte: Ich hatte wohl kaum das Recht, eifersüchtig zu sein. Er war jung, gut aussehend und reich, wohnte hier irgendwo in L.A. in einem
Apartment. Es war ganz normal, dass er weder das Leben eines Mönchs noch das eines Eunuchen geführt hatte. Und trotzdem war es ein seltsames Gefühl. Ich hatte versucht, mir nichts anmerken zu lassen, als ich die Anprobe wieder verlassen hatte. Auch nicht, dass mir in diesem Moment noch weniger nach Shoppen zumute war als zuvor.
Wann immer ich mich in einem Schaufenster oder den Spiegeln einer Boutique sah, ertappte ich mich bei dem Gedanken, ob es ihm nur mit diesem einen Spiegel in seinem Laboratorium auf Santa Reyada möglich war, jemanden zu beobachten. Das Gefühl, das dabei in meinem Magen saß, fühlte sich nicht wie Angst an …
Wir aßen auf der Terrasse eines kleinen, edlen Restaurants schräg gegenüber dem Regent Beverly Wilshire Hotel zu Mittag und Cris amüsierte sich über meinen Gesichtsausdruck, als er mich von seinen Austern kosten ließ. Ich dankte insgeheim dem Himmel dafür, dass ich mich trotz all der Meerestier-Köstlichkeiten auf der Karte für einfache Pasta mit gegrilltem Gemüse entschieden hatte.
Der erste Schwung an Tüten und Taschen war bereits im Kofferraum seines Porsche verstaut – in dem noch deutlich zu viel Platz war, wie er mir mitgeteilt hatte.
Ich hatte gerade meine letzte Tomate mit dem verbliebenen Spinat aufgespießt, als Cris’ Handy klingelte. Mir wurde schlecht, als er nach einem Blick auf das Display »Joaquín« sagte und dranging. Einen Moment lauschte er, nickte immer wieder mit einem »Mhm«, »Verstehe« oder
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