Blutbraut
mir um die Schultern. Und zischte, als sein Handy unvermittelt klingelte. Mit einem entschuldigenden Blick trat er ein paar Schritte beiseite und ging ran. Der Hund scheuchte gerade eine besonders dreiste Möwe direkt auf mich zu. Einen Moment überlegte ich, ob ich versuchen sollte, ihn zu mir herzulocken. Ich vermisste das Gefühl von Fell zwischen den Fingern, unter der Wange; einen weichen Hundekörper, an den ich mich schmiegen und für eine kurze Zeit mein Leben einfach vergessen konnte. Doch noch ehe ich mich hinkauern und die Hand nach dem Tier ausstrecken konnte, kam Cris schon wieder auf mich zu.
»Ist es für dich okay, wenn wir zurückfahren?« Seine Miene war nicht zu deuten.
»Natürlich. Kein Thema.« Plötzlich hatte ich Herzklopfen. War er doch früher zurück als angenommen? Ich sah kurz zum Pier hin, als Cris meine Hand ergriff. Vielleicht schaffte ich es ja zu einem anderen Zeitpunkt, den Sonnenuntergang von diesem Riesenrad aus zu sehen.
19
I ch hätte nicht gedacht, dass Sie so schnell kommen.« Der Mann warf rasch einen Blick den Flur hinauf und hinunter, trat zurück, um ihn hereinzulassen.
»Ich hatte ohnehin in der Stadt zu tun. Es hat eben gepasst.« Joaquín schloss die Tür hinter sich. Dass er die letzten Stunden im Präsidium des LAPD und im Leichenschauhaus zugebracht hatte, musste der Mann nicht wissen. »Die Papiere sind also fertig?«
Der Mann, Frank – zumindest nannte er sich so –, ging vor ihm her, ins Wohnzimmer. Die Wohnung eines Fälschers hatte er sich immer anders vorgestellt. Klischee, Joaquín. Wie so vieles. Die Einrichtung war stylish, elegant. Vielleicht ein bisschen zu gewollt stylish elegant. An den Wänden hingen Kunstdrucke. Gegenüber der Ledercouch ein riesiger Flachbildschirm. Keine Bilder von Frau und Kindern. Gut. Das macht es einfacher.
›Frank‹ nahm eine Mappe von dem gläsernen Wohnzimmertisch. »Ja. – Sie haben den Rest des Geldes?«
Joaquín griff in die Tasche seines Jacketts, holte den Umschlag hervor. »Natürlich. – Wie besprochen.« Als der Mann danach langte, zog er ihn ohne Hast aus seiner Reichweite. »Und die Papiere sind absolut wasserdicht? Sie halten jeder Überprüfung stand? Egal von welcher Seite?«
»Absolut. Geburtsurkunde, Passport Card, Sozialversicherungskarte … Alles so echt, wie es nur sein kann. Ich arbeite nicht umsonst in diesem Laden. Und alles andere kann man damit beantragen.«
Joaquín hielt dem Mann wortlos den Umschlag mit dem Geld hin, nahm seinerseits die Mappe mit den Papieren entgegen.
Frank leckte sich die Lippen, riss das Kuvert auf, sah hinein, nickte, hob den Blick wieder zu Joaquín, beobachtete einen Moment, wie er jedes einzelne der Dokumente genau prüfte. »Alles so, wie Sie es wollten. Sogar das Geburtsdatum.«
»Wer weiß außer Ihnen noch von diesen Papieren?« Sie waren perfekt. Nein, besser als ›perfekt‹. Sie waren tatsächlich echt. Er faltete die Geburtsurkunde zusammen und schob sie gemeinsam mit den Plastikkarten in seine Jackentasche.
Der Mann machte einen Schritt zurück. »Was soll die Frage?«
»Wer noch?«
»Ein … Freund von mir.«
Also niemand. Joaquín verbiss sich ein Lächeln. Sehr gut. Dachte dieser Dummkopf wirklich, es würde ihm nicht auffallen, wenn er die Hand hinten in den Bund der Hose schob?
»Sie haben, was Sie wollten, Kumpel. Sie sollten jetzt verschwinden. « Der drohende Unterton in ›Franks‹ Stimme entging ihm nicht. Wortlos drehte er sich um, wandte sich Richtung Tür. Der Mann folgte ihm, schloss zu ihm auf. Die Rechte immer noch hinter dem Rücken.
Idiot.
Joaquín war schneller zu ihm herumgefahren, als Frank reagieren konnte, presste ihn gegen die Wand, blockierte mit der einen Hand dessen Rechte – und damit die Pistole, die er im
Bund seiner Hose verborgen hatte – und drückte ihm zugleich den Unterarm gegen die Kehle. »Sofort. Da ist nur noch eine Kleinigkeit …« Frank zerrte an seinem Arm, die Augen weit aufgerissen, röchelte. Wie schade, dass die Sonne noch nicht untergegangen war. Dann könnte er das Nützliche mit dem Notwendigen verbinden. Bevor er nach Santa Reyada und zu Luz zurückkehrte, musste er jagen. »Bedauerlicherweise bin ich in manchen Dingen nicht ganz so gut wie mein Bruder. Aber ich kann kein Risiko eingehen.« Der Mann riss die Augen noch ein Stück weiter auf, als er begriff, zerrte verzweifelter an seinem Arm. »Es tut mir leid.« Joaquín zwang Franks Rechte hinter dessen Rücken hervor, schmetterte
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