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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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meinem Innern breit. »Machst du dir Sorgen, dass…« – Joaquín – »… dein Bruder vielleicht doch früher zurück sein könnte?« Ich stapfte auf ihn zu, aus dem Wasser heraus. Der Sand klebte an meinen Füßen. Warm. Weich. »Sollen wir lieber gleich zurückfahren, damit er … Au!« Ich versuchte, nicht mit meinem ganzen Gewicht auf das zu treten, was da Schmerzhaftes vor mir vergraben war, stolperte.
    Cris fing mich auf, ließ mich in den Sand gleiten. »Was ist passiert? Hast du dir wehgetan?« Hastig kniete er sich hin, zog meinen Fuß auf seinen Schoß und wischte vorsichtig die Sohle sauber.
    »Ich weiß nicht. Ich bin auf irgendetwas getreten …« Ich rutschte so weit zur Seite, bis ich die Stelle erreichen konnte, an der das Was-auch-immer gewesen war, und grub es aus. »Eine Muschel!« Sie war etwas größer als meine Handfläche, gewunden wie eines dieser lang gezogenen, spitzen Schneckenhäuser und weiß – wobei ich nicht sagen konnte, ob das
ihre eigentliche Farbe war oder irgendeine Kruste. Kalk vielleicht? Ihre eine Seite war zerbrochen. Ich streckte sie Cris hin. »Schau.«
    »Du hast Glück. Noch nicht einmal ein Kratzer. Ich kann zumindest nichts sehen. Normalerweise kann man sich an den Dingern böse schneiden.« Behutsam setzte er meinen Fuß in den Sand zurück.
    »Ziemlich hübsch, für etwas so ›Gefährliches‹.«
    Er betrachtete den Übeltäter, fuhr mit der Fingerspitze ganz leicht über die beschädigten Stellen. »Hmhm.«
    Ich schnappte nach Luft. Unter seiner Berührung verschwanden die Löcher. Anstatt der weißen Kruste war silbrig bleich schimmerndes Perlmutt zu sehen.
    »Sie ist wunderschön«, flüsterte ich nach einer weiteren Sekunde ehrfürchtig.
    Cris neigte den Kopf, betrachtete sein Werk. »Mhm.« Er nahm die Hand weg und die Illusion war wieder vergangen. »Und früher wäre sie so wunderschön geblieben.«
    Überrascht blickte ich von der Muschel auf. »Was ist passiert? « Ich bereute die Frage bereits, noch bevor er den Mund verzog.
    »Joaquín ist passiert.« So viel … Wut hatte ich noch nie in seinem Ton gehört. Verständnislos sah ich ihn an. Er lachte hart. »Ich war mal ein richtiger Hexer der Hermandad. Vielleicht nicht ganz so mächtig wie Joaquín, aber mächtig genug, dass ich wie jeder andere aus meiner Familie auch Nacht für Nacht zum Vampir geworden wäre; dass über mir heute auch das Damoklesschwert, Nosferatu zu werden, gehangen hätte.« Abermals berührte er die Muschel auf meiner Hand und wieder war sie von einer Sekunde zur nächsten heil und schimmerte
silbrig bleich. »Kaum zu glauben, was?« Er nahm die Hand fort und auf meiner blieb erneut nur eine zerbrochene Muschel zurück. Seine Stimme sank zu einem bitteren Flüstern herab. »Kaum zu glauben, dass ich es meinem Bruder verdanke, dass ich heute nur noch ein magischer Krüppel bin. – Ein erbärmlicher magischer Krüppel. Der dankbar sein muss, dass sein ach so mächtiger Bruder die Hand über ihn hält.«
    »Was ist passiert?«
    Einen sehr langen Moment sah er schweigend auf die Muschel zwischen uns. »Ich bin ihm in ein … ›Experiment‹ hineingeraten. « Er stieß ein Schnauben aus. »Ein Experiment. – Ein Bannkreis in dem Pentagramm auf dem Boden der oberen Bibliothek; ein paar von Joaquíns selbst gewebten Siegelknoten … Ich wusste ja noch nicht einmal, dass er da oben mit irgendetwas zugange war. Ich wollte nur etwas in einem alten Kodex nachschlagen … Und als ich wieder zu mir komme, reicht meine Macht nur noch für ein paar billige Taschenspielertricks. «
    Oh mein Gott. »Cris«, flüsterte ich beklommen. »Es tut mir so leid.« Ich wagte die Frage kaum zu stellen. »Was hat Joaquín dazu gesagt?«
    »Das muss es nicht. – Und Joaquín? Er sagte, es täte ihm leid. Dass er alles dafür geben würde, um es rückgängig zu machen. « Cris’ Lachen klang härter als zuvor. »Dass er mir seine Macht überlassen würde, wenn er könnte.« Sein Tonfall wurde noch bitterer. »Er hatte sogar die Frechheit, mir zu sagen, dass ich froh sein soll, noch am Leben zu sein; nein, dass ich froh sein soll, dass es so gekommen ist und dass er jederzeit sofort und mit Freuden mit mir tauschen würde.«
    »Konnte man das Ganze nicht wieder umkehren?«

    »Nein. – Joaquín wusste zumindest nicht wie.« Wieder ein Schnauben. »Er wusste ja noch nicht einmal, wie er mir meine Macht genommen hatte. – Sagt er zumindest. – Und ich wollte das bisschen, was mir geblieben war, nicht

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