Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)
»Aber noch haben wir eine Chance. Der Mann ist hier. Und er fühlt sich sicher«, war Walter überzeugt.
Judith nickte. »Wir müssen das gut vorbereiten, Walter. Noch einen Fehler können wir uns nicht leisten. Ich rufe gleich bei Grede an, er muss jemanden abstellen, der den Mann vorerst beschattet.« Sie konnte sich nicht einmal an seinen Namen erinnern und musste in den Protokollen nachsehen.
Nur eine Stunde nach ihrer plötzlichen Eingebung wussten sie zumindest, wer der Fahrkartenverkäufer war: Karl Busch. Im Gebäude der Kreisbehörde war die polizeiliche Meldestelle untergebracht und deren Archiv befand sich zu ihrem Glück auch vor Ort. Karl Busch war ungefähr zehn Jahre jünger als Laurenz Heitmann und Paul Ahlsens. Stand also kurz vor seiner Rente. Die Registerkarte der Einwohnermeldekartei von Gardelegen gab Auskunft darüber, dass er im ersten Nachkriegssommer hierher gekommen war und sich schon ein Vierteljahr später in eine andere Stadt im Süden des Landes abgemeldet hatte. Unter Beruf hatte man damals Schlosser eingetragen. Es waren keine Angaben zu den Familienangehörigen vermerkt. Zwei Jahrzehnte später kam er in die Altmark zurück und lebte von da an wieder in Gardelegen. Seit dieser Zeit arbeitete er auf dem Bahnhof, wie ein Anruf bei der Bezirksdirektion der Bahn ergab. Zwanzig Jahre ohne Beanstandungen, nicht unbedingt ein Vorbild, aber sehr zuverlässig, keine Familie, ein Einzelgänger.
Sie saßen erneut in Dr. Gredes Büro und diskutierten erregt, was sie als Nächstes tun sollten. Die Stimmung in der Lagebesprechung war gedrückt. Wie sollte es weiter gehen? Dr. Grede blickte betreten.
»Warum war die Spurensicherung nicht im Schalterraum?« Judith Brunner war ungehalten. Und sie war ungerecht, das wusste sie. Dieses Versäumnis hätte ihr auch schon eher auffallen können. Allerdings, warum sollten die Kollegen überhaupt dort suchen? Die Morde waren stets außerhalb des Gebäudes passiert. »Tut mir leid«, bat sie Dr. Grede gleich wieder um Entschuldigung.
»Ist schon in Ordnung, ich bin auch enttäuscht«, beteuerte er. »Wir haben eben wirklich nicht so viele Erfahrungen mit Morduntersuchungen in Gardelegen. Gott sei Dank! ... Buschs Schicht geht nur bis 15 Uhr. Danach kann Ritter sich kurz im Fahrkartenraum umsehen, ohne die Aufmerksamkeit des Tatverdächtigen zu erregen. Dann wissen wir, ob die Faserspuren von Buschs Uniform stammen könnten. Außerdem läuft Buschs Überwachung rund um die Uhr. Einfach absetzen kann er sich jetzt nicht mehr.«
»Wir wissen dann jedoch nur, dass Busch auf dem Beifahrersitz in Heitmanns Auto saß.« Judith klang immer noch missgestimmt.
»Warten wir das einfach ab.« Walter vertraute auf die Kompetenz Thomas Ritters. Natürlich wusste auch er, dass sie Beweise bringen mussten, um ihren Verdacht zu untermauern. Noch fehlte ihnen das Wichtigste, nämlich das Motiv. Sie mussten mehr über Karl Busch erfahren.
Ein Blick in Judith Brunners Gesicht verriet Dr. Grede, dass sie sich immer noch nicht beruhigt hatte, daher hoffte er, mit der Schilderung weiterer Aktivitäten ihre Laune zu bessern: »Einer meiner Leute untersucht im Moment das Auto von Paul Ahlsens. Es stand noch unversehrt am Marktplatz. Möglicherweise bringt uns das ja weiter?« Natürlich wusste Dr. Grede, dass die Chancen dafür eher gering waren. Jetzt hatten sie fast den gesamten Fuhrpark vom Gut im Haus. Doch was brachte es? Um wenigstens etwas voranzukommen, griff Dr. Grede zum Telefon. Die Identifizierung Emil Winters über den Zahnstatus stand noch aus. Enttäuscht rollte er mit den Augen. »Wann kommt Dr. Renz denn wieder? Danke, er möchte sich bitte gleich bei mir melden.« Er wandte sich Judith Brunner zu. »Hat denn der Anruf in Berlin bei der Wehrmachtsstelle schon was ergeben?«
»Es ist die Erkennungsmarke von Emil Winter. Insofern können wir nun mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass er es war, der im Wald begraben wurde. Für die Recherche, ob die drei zu Kriegsende zusammen gedient haben, brauchen sie noch etwas Zeit. Frau Lenz bleibt dran.«
»Der Zahnstatus wäre mir trotzdem lieber; es könnte eine fremde Marke sein«, betonte Dr. Grede.
Das Warten auf die Ermittlungsergebnisse anderer reichte Walter nicht mehr aus. »Das scheint mir angesichts der neuen Spur nun doch eine übertriebene Akribie zu sein. Wir müssen produktiver werden!« Walter sah Judith auffordernd an.
Einen Moment später konnte sie wieder lächeln. »Also, das Alter von Karl
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