Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)
Brunner freute sich über die erfolgreiche Ermittlung, und gerade deshalb konnte sie die Eindrücke der letzten Stunden noch nicht ganz aus ihrem Kopf verdrängen. Den Tag über hatte sie in Gardelegen mit ihren Kollegen in der Kreisbehörde versucht, den Papierkram zu erledigen und noch einiges aufzuklären. Thomas Ritter hatte in Buschs Haus ein umfangreiches Stichwaffenarsenal entdeckt. Auch im Schalterraum am Bahnhof stießen er und seine Leute auf gefährlich aussehende Messer. Judith malte sich kurz aus, was alles hätte passieren können, wenn Busch es noch geschafft hätte, an ein Messer heranzukommen. Sie unterdrückte den Gedanken an die unmittelbare Gefahr schnell wieder. Viel interessanter aber waren die in Buschs Schreibtisch gefundenen Aufzeichnungen von Paul Ahlsens. Es waren Originaldokumente darunter, die Paul Ahlsens wohl aus dem Archiv in der Stadtbibliothek entwendet hatte. Die Spurensicherung entdeckte außerdem in Ahlsens’ Wagen eine verschlossene Ledertasche mit alten Papieren. Es würde Tage dauern, das alles auszuwerten. Doch darum musste sie sich nicht mehr kümmern. Für Judith war der Fall abgeschlossen.
Laura selbst hatte bei Irmgard Rehse gleich morgens vorbeigeschaut und sie beim Frühstücken angetroffen. Das war ein gutes Zeichen. Laura hatte sich dazugesetzt und einfach noch einmal mit gefrühstückt. Und über dem Hin- und Herreichen von Butter und Pflaumenmus waren sie ins Reden gekommen und ab und zu ins Schluchzen. Am Vorabend hatte Walter seine Nachbarin noch aufgesucht und ihr behutsam die Wahrheit mitgeteilt. Laura tat das angerichtete Leid weh. Das Weinen ertrug sie nur, weil sie wusste, es würde helfen.
Nach einer Weile hatte Tante Irmgard sich beruhigt. »Weißt du, Laura, der Emil war ein feiner Kerl, der hat helfen wollen. Nun wissen wir, was mit ihm passiert ist. Und wir können uns um ihn kümmern. Das hat mich schon getröstet.«
»Und außerdem haben Walter und seine Kollegen die Schuldigen gefasst, das ist doch auch gut.«
»Das kannst du laut sagen«, wurde ihr energisch zugestimmt, »und die können von Glück sagen, dass sie mir jetzt nicht mehr in die Hände fallen können!«
»Tante Irmgard!«
»Ja was denkst du denn? Als Anne Winter vorgestern Abend herkam und mir alles erzählte, war ich nur zu geschockt, um sie nicht gleich zu erwürgen! Ich war so wütend! Denkst du etwa auch, alte Menschen können nicht mehr zornig werden?« Und sie fing wieder an zu weinen.
»Aber nein, so ein Unsinn. Du darfst so wütend sein, wie du willst.« Eigentlich war ihr die wütende Tante Irmgard sogar erheblich lieber als die verzweifelte.
»Ich geh gleich zum Hannes hoch, wegen der Beisetzung vom Emil und vom Laurenz.«
»Wollt ihr sie zusammen begraben?«
»Müssen wir alles noch besprechen, auch mit Botho Ahlsens, wegen seines Bruders.«
Drei Begräbnisse. Was für Zeiten! Laura konnte sich nicht erinnern, in Waldau jemals von Vergleichbarem gehört zu haben. »Wenn du meine Hilfe brauchst ...«, bot sie an.
»Danke, meen Deern, det kriege mer woll hin. Will mal los dann.«
»Soll ich heute noch mal vorbeikommen? Ich habe Zeit, will bloß mal nach Astrid sehen.«
»Dat lass man, ick blieb hüt gern für mich.«
Auch Astrid ging es nicht gut. Sie war noch nicht einmal aufgestanden. Mit Mühe hatte Laura sie dazu bewegen können, einen Tee zu trinken. Essen wollte sie nichts. Sie war blass und wirkte äußerst fahrig. Ein wenig wunderte sich Laura schon über diese Reaktion. Hatte sie das innige Verhältnis Astrids zu ihrem Onkel unterschätzt? Ein Gespräch kam nicht zustande. »Möchtest du wieder schlafen?«
»Was? Ach nein, ich kann nicht schlafen, jetzt muss ich über vieles nachdenken. Ich wäre nur gern allein dabei, sei mir nicht böse.«
»Bin ich nicht, ruh dich ruhig aus. Und melde dich, wenn du mich brauchst.« Etwas beunruhigt ging Laura vom Gut; Botho Ahlsens hatte sie überhaupt nicht zu sehen bekommen.
Laura war froh gewesen, nach ihren Besuchen ein paar Stunden für sich zu haben, Zeit, um über alles nachzudenken, und für die Vorbereitungen für den kleinen Abschiedsabend.
Sie nippte wieder an ihrem Wein. »Wissen Sie, worüber ich ständig grübeln muss, Judith?«
»Hm?« Auch Judith war mit ihren Gedanken noch woanders.
»Warum haben Anne und Emily Winter das gemacht, warum nur? Dieses Maß an Täuschung! Es macht die ganze Geschichte so böse. Niemand hier hatte ihnen etwas getan!«
»Es ist wirklich unerträglich. Eigentlich
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