Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)
mit Kindern, die meisten nur mit dem, was sie auf dem Leibe trugen. Die sind aber alle weiter gezogen. Wir waren die Einzigen, die hier bleiben wollten. Und nun sind wir immer noch da.«
Bereitwillig ergänzte Emily: »Das Haus hat später die Gemeinde übernommen; ein paar Jahre danach haben wir es dann gekauft.« Damit schien dieses Thema für sie erschöpfend behandelt, denn sie lehnte sich entspannt zurück und schaute ihre Schwester aufmunternd an.
Judith musste einstweilen davon ausgehen, dass diese Darstellung auch stimmte. Verdammt, wie sollte sie die Frauen zum Reden bringen?
Walter überraschte mit der entscheidenden Frage: »Woher hatten Sie das Geld dafür? Sie waren doch mittellos hier angekommen.«
»Woher wir das Geld hatten?« Emily Winter war konsterniert.
»Ja, so ein Hauskauf war auch damals nicht ganz billig.«
Emily überlegte eine kleine Weile, sah ihre Schwester eindringlich an und sagte dann, ohne sie aus den Augen zu lassen: »Wir haben einigen Schmuck verkauft.«
»Schmuck? Woher hatten Sie den denn?«, blieb Walter Dreyer hartnäckig.
Emily bannte ihre jüngere Schwester mit einem durchdringenden Blick. »Na, der gehörte unserer Mutter. Wir nahmen ihn von zu Hause mit. Auf der Flucht hatten wir auch noch Kleinigkeiten gefunden.«
»Und das hat gereicht? Wie viel haben Sie denn dafür bekommen?«
»Das weiß ich heute doch nicht mehr, Herr Dreyer. Es hat gereicht, sonst wären wir garantiert nicht hier.« Sie wirkte ungehalten und merkte wohl auch, dass hier eine Erklärungslücke bestand.
Walter tat so, als messe er dem keine Bedeutung bei, sodass Emily Winter sich wieder beruhigte. Allerdings waren sie in Sachen Überfall im Wald noch kein Stück weiter gekommen.
»Johannes Meiring hat uns auch geschildert, dass Heitmann in letzter Zeit etwas beunruhigt war«, Judith blickte Anne Winter direkt ins Gesicht, als sie weitersprach, »und als Grund nannte er ein Vorkommnis, das etwa zu der Zeit stattgefunden haben muss, als Sie hier im Dorf ankamen.«
Annes Flecken erschienen wieder; ihre Schwester setzte sich noch gerader hin. Doch am Tisch blieb es stumm.
»Sie können mir dazu nichts sagen? Nun gut, dann muss ich deutlicher werden: Heitmann hat erzählt, er hätte Sie damals im Wald gefunden, nachdem Sie überfallen worden waren.«
Beide Schwestern blickten ins Leere.
»Haben Sie mich verstanden? Ja? Was ist damals passiert?«
Doch noch immer machte keine den Mund auf.
Judith Brunner musste sie jetzt reizen: »Er hat auch erzählt, dass er dort seinen Freund Emil Winter gefunden hat, den eine von Ihnen umbrachte.« Nun mussten sie doch reagieren!
Und richtig, es kam Bewegung in die Körper, beide rangen noch mit sich.
Und dann war es Anne, die fast unhörbar leise sagte: »Ich bin schuld.«
»Sei still!«, herrschte Emily ihre Schwester an.
»Lassen Sie sie bitte reden, Frau Winter.« Judith Brunner hoffte, endlich eine Aussage zu bekommen.
»Du musst gar nichts sagen, Anne«, betonte Emily Winter.
»Lass mich, ich will reden! Und vielleicht findet die Polizei so Heitmanns Mörder.«
Ihre Schwester schien zwar nicht überzeugt, doch versuchte sie nicht mehr, Anne vom Reden abzuhalten.
»Wissen Sie, es ist ja nicht so, dass wir nicht darüber gesprochen hätten. Aber viel gab es nicht zu sagen. Mit der Zeit, nein, schon nach einigen Monaten, hatten wir nicht mehr das Bedürfnis. Und mit den Jahren gab es immer weniger Anlässe, die Dinge anzusprechen. Es war passiert und es war vorbei. Und Heitmann? Hm, ja, Heitmann hat die Sache niemals wieder erwähnt.«
»Wäre es Ihnen möglich, uns genau zu erzählen, was passiert ist?«, fragte Judith Brunner jetzt einfühlsam.
»Haben Sie nicht gesagt, Heitmann hätte Meiring alles schon erzählt?«
»Das können wir nicht einschätzen, Frau Winter. Meiring hatte alles nur aus zweiter Hand. Und Sie waren dabei. Ihre Schilderung ist sicher detaillierter.«
»Muss das wirklich sein?« Emily versuchte, ihre Schwester zu schonen.
Doch Anne Winter begann mit ihrer Darstellung: »Also, wir hatten uns bis hierher durchgekämpft. Das war wirklich nicht einfach gewesen. Wir hatten schon zu Hause beschlossen, es allein zu schaffen. Keinesfalls im Tross mit anderen Leuten. Viele unserer Landsleute sammelten sich in Lyck, unserer Kreisstadt, andere versuchten mit dem Zug ihr Glück. An Gepäck hatten wir kaum etwas mitgenommen und dachten uns, so kämen wir schneller vorwärts und könnten uns im Notfall auch viel besser verstecken.
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