Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)
erstochen wurde, kurz bevor er sie wieder in die Arme hätte nehmen können. Zudem verlor Emil Winter sein Leben, um Sie zu schützen! Und dann haben Sie seinen besten Freund in dem Glauben gelassen, Emil sei ein Verbrecher gewesen. Heitmann hielt nur den Mund, um Irmgard Rehse zu ihrem Verlust nicht noch zusätzlichen Kummer zu bereiten. Was glauben Sie, was die Menschen hier von Ihnen halten werden?« Für Walter stand jedenfalls fest: Die Frauen hatten Laurenz Heitmann betrogen. Und dieser Betrug war abgrundtief. Nicht Heitmanns Freund war der Verbrecher gewesen, sondern ein anderer Mann, Karl Busch! Und Heitmann trug zeitlebens eine Last auf seinen Schultern, die niemand je würde ermessen können.
Judith Brunner sah Anne Winter an, als wäre sie ein ekliges Insekt. Doch sie wusste auch, dass die Winter-Schwestern nach vier Jahrzehnten dafür nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden konnten. Zumindest nicht vor einem ordentlichen Gericht.
~ 62 ~
Karl Busch versuchte nicht zu leugnen, als Judith Brunner ihn mit Anne Winters Aussagen konfrontierte. Er gab sich gelassen, war überzeugt, dass diese Tat schon längst verjährt sei. Doch ihn ärgerte offenbar, dass Anne Winter überhaupt geredet hatte, und reagierte, als er hörte, dass die Winter-Schwestern mit ziemlicher Sicherheit völlig ungeschoren davon kamen, empört. »Die? Unschuldig? Wissen Sie, wie die vom Osten hierher kamen?«
»Ja, sie haben uns davon berichtet«, klärte Judith Brunner ihn auf.
Busch blickte verächtlich. »Alles?«
»Wie, alles? Was meinen Sie?«
»Auch von den Diebstählen?«
»Ja. Sie haben uns gestanden, wie sie die Hinterlassenschaften anderer Flüchtlinge geplündert haben.«
Plötzlich brach Busch in ein heiseres, fast hysterisches Lachen aus. »Hinterlassenschaften? Geplündert? Da haben die beiden wohl etwas untertrieben. Schatzsucher waren sie, ja, der skrupellosesten Art!«
Judith Brunner konnte sich nichts darunter vorstellen, erinnerte sich jedoch an den letzten anonymen Brief. Deshalb fragte sie noch einmal nach: »Schatzsucher?«
»Ja, die haben gezielt dort gesucht, wo Leute ihr Zeug vergraben hatten. Jeder wusste doch, dass das die übliche Methode war: Rückte die Front näher, ging man in den Wald und vergrub an sicherer Stelle seine Habseligkeiten. War die Front dann durch, man selbst war aber verschont geblieben, dann nix wie hin in den Wald und alles schnell wieder ausgegraben.«
»Und dann kamen die Winter-Schwestern?«, fragte Judith Brunner ungläubig nach.
»So heißen die nicht, glauben Sie mir. Mir hatten sie damals andere Namen genannt, ist aber nun auch egal. Nun gut. Nein, die zwei liefen doch vor der Front her, wussten also, wann die feindlichen Soldaten ungefähr kamen. Manchmal haben sie sogar in den Dörfern selbst gewarnt, sich dann versteckt und zugesehen, wie die Leute ihre Habseligkeiten vergruben. Sie wussten so genau, wo sie dann suchen müssten, wenn die Gefahr vorüber war.«
»Und was haben sie gemacht mit all den Dingen?«
»Na, neu vergraben. Und gewartet. Bis heute!«
»Bis heute?«
»Ja was dachten Sie denn, wovon die beiden leben! Die verkaufen heute noch das Zeug, das sie damals an sich brachten.«
Judith hatte die Vernehmung nach diesen Aussagen unterbrochen, um sich mit Dr. Grede und Walter zu beraten, die das Gespräch vom Nebenraum aus mitverfolgten.
»Das ist aufschlussreich, nicht wahr? Die drei haben noch immer Kontakt zueinander, woher sollte Busch das sonst wissen?« Grede war zufrieden mit dem Verlauf der Vernehmung.
»Anne Winter, oder wie auch immer sie heißen mag, war also nicht so ehrlich zu uns, wie sie sich den Anschein gab«, war Judith über die Unverfrorenheit der Frau erneut empört.
»Und ich war vorhin voll der Überzeugung, sie hätte ausgepackt. Die Reue von Anne Winter kam ziemlich echt rüber!« Auch Walter ärgerte sich über seine erneute Leichtgläubigkeit.
Judith tröstete ihn: »Nun haben wir wenigstens die Quelle ihres Einkommens entdeckt. Denn dass sie von der Mindestrente ihren Lebensstil nicht finanzieren konnten, war ziemlich offensichtlich.«
»Haben wir schon den Vertrag für das Haus?«, fragte Dr. Grede und telefonierte umgehend mit dem Empfang.
Doch die Vertretung dort konnte nur mitteilen, dass Lisa Lenz noch nicht wieder vom Amtsgericht zurückgekommen war.
»Mit dem Kaufvertrag müssen wir uns noch gedulden. Machen wir eine kurze Pause? Da kann Busch verpflegt werden und wir können uns auch stärken.«
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