Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)
Busch erschrocken zurück.
Seine plötzliche Empörung war echt, das spürte Judith. Was steckte dahinter? »Wieso regen Sie sich auf einmal so auf?«
»Wie soll ich mich da nicht aufregen? Ich mit denen zusammenarbeiten? Mit diesen ...«, er suchte nach Worten und Judith befürchtete ein äußerst unangenehmes Schimpfwort, »mit diesen Erpressern!«
Darauf war sie nicht gefasst. »Erpressern?«
»Na, erpresst haben die mich doch, all die ganzen Jahre!«
»Die Winter-Schwestern haben Sie erpresst?« Judith Brunner war ehrlich überrascht.
Walter Dreyer und Dr. Grede sahen sich im Nebenraum staunend an. »Das gibt’s doch gar nicht. Diese fiesen Weiber!«, entfuhr es Dreyer. »Ist das denn noch zu fassen!«
Judith Brunner fragte höchst interessiert: »Womit denn?«
Eine Welle der Verbitterung brach aus Busch hervor: »Womit? Das kann ich Ihnen genau sagen. Die ersten Monate, als ich wieder in Gardelegen war, lief alles glatt. Ich richtete mich hier ein, führte ein normales Leben, wie man so schön sagt. Ohne Familie und den ganzen Kram, aber es ging mir gut. Bis die beiden plötzlich auftauchten! Für eine Fahrt zu einem ihrer Beutelager kaufte die ältere Schwester die Fahrkarten und erkannte mich sofort. Es war ein schrecklicher Moment. Ich hätte nie gedacht, die zwei je im Leben wieder zu sehen. Woher sollte ich denn ahnen, dass die damals hier in der Gegend hängen geblieben waren? Und dann fingen sie einfach an, mich zu erpressen. Baten mich freundlich um ein Gespräch, am Bahnhof, nach Dienstschluss, und drohten mir mit einer Anzeige. Also habe ich seitdem zum Teil ihren Lebensunterhalt finanziert.« Er lachte bitter auf. »Und selbstverständlich ihre Ausflüge bezahlt, wenn Nachschub an Schmuck oder Ähnliches aus den diversen Verstecken zu holen gewesen war.«
Judith Brunner fragte fürs Protokoll: »Wie hoch waren denn die Summen, die Sie zahlen mussten?«
»Nicht riesig. Die konnten sich ja mein Gehalt leicht ausrechnen und wussten, dass es gar nichts brachte, zu übertreiben. Außerdem kriegten sie auch von Heitmann was.«
»Wie bitte?«, schon wieder reagierte Judith Brunner deutlich stärker als gewollt.
»Heitmann, Sie wissen schon, der ›meine‹ Leiche damals beseitigte, ohne den Mord zu melden, und alle Spuren bestens verwischt hat.«
»Herr Busch, ich weiß, wer Heitmann ist! Er ist vor allem ein Mordopfer! Und Sie wissen mit Sicherheit, dass die Winter-Schwestern Heitmann erpressten?« Es klang unfassbar!
»Zumindest haben die beiden mir das so berichtet. Es gab keinen Grund für sie, mich zu belügen.« Busch konnte einen gewissen Triumph in seiner Stimme nicht unterdrücken, als er weiter sprach: »Na, damit haben Sie wohl nicht gerechnet!«
Damit hatte er allerdings recht. Wortlos verließ Judith Brunner den Raum.
Als sie Walter Dreyer sah, bekam sie einen Schreck.
Er war ganz grau im Gesicht. Nur mühsam konnte er seine Wut zähmen.
Dr. Grede fand als erster wieder Worte: »Das ist eigentlich an Skrupellosigkeit nicht zu übertreffen. Da lassen die Frauen den Heitmann im Glauben, sein erstochener Freund sei ein Vergewaltiger, überlassen ihm die Vertuschung ihrer vermeintlichen Notwehr und erpressen ihn dann auch noch wegen seiner Hilfeleistung. Erbarmungslos!«
»Das kann man wohl sagen! Mein Gott, und ich lebe mit diesen Monstern seit Jahrzehnten in einem Dorf. Wie soll ich das dort nur erklären?« Walter bekam sich langsam wieder in den Griff.
Judith Brunner schlug vor: »Wir müssen die beiden unbedingt zur Vernehmung herholen. Sofort!«
»Ich schicke gleich einen Wagen los, nein, besser zwei, obwohl die sich bestimmt schon längst abgesprochen haben.« Dr. Grede ging zum Telefon.
Walter Dreyer grübelte. »Ich weiß nicht, vielleicht auch nicht. Oder nicht in jeder Hinsicht. Das mit Karl Busch hat uns Anne Winter vorhin allein gestanden, Emily war nicht zu Hause.«
Dr. Grede nahm den Hinweis schnell zur Kenntnis. »Trotzdem, ich fahre selbst mit nach Waldau. Ich will mir das Haus mal ansehen. Sie warten bitte hier, ja?«
»Worauf Sie sich verlassen können«, bestätigte Judith Brunner.
Judith und Walter suchten sich ein leeres Büro, vom Verhörraum so weit weg wie möglich. Sie konnten Buschs Nähe nur noch schwer ertragen.
Walter verschwand auf der Herrentoilette, und als er zurückkam, sah Judith sein nasses Haar und auf seiner Stirn noch Wassertropfen.
»Ich musste meinen Kopf unter kaltes Wasser halten. Das habe ich noch nicht erlebt, mir ist immer
Weitere Kostenlose Bücher