Bluteis: Thriller (German Edition)
hat er dir erzählt?«
»Nicht nur erzählt. Er wollte, dass ich das Programm nach ihm fortführe.«
»Aber …« Sie geriet ins Stottern. »Das machst du doch nicht!«
»Nein, das mache ich nicht. Das Problem ist nur: Er hat den Schalter bereits umgelegt. Irgendwo auf der Welt gibt es einen Ort, an dem Hunderttausende von infizierten Ratten darauf warten, verschifft zu werden.«
»Bist du sicher? Das … das hört sich irrsinnig an. Völlig irrsinnig …«
»Ist es auch. Aber wie irrsinnig war es, Affen mit HIV zu infizieren und zu hoffen, dass von denen die Seuche auf den Menschen überspringt? Da ist das mit den Ratten nur der nächste logische Schritt. Vor allem, weil dieser Einzeller prächtig im Menschen gedeiht. Ein Drittel der Weltbevölkerung trägt ihn in sich. Mit harmlosen Folgen. Doch der neue Erreger ist getunt.«
»Und deswegen fliegen wir nach New York, allein, ohne irgendeine Entourage?«
»Exakt. Ich muss mit dem Vorstand von ULC sprechen. Und mit den Männern hinter den Osterbachern.«
»Weil du herausbekommen willst, wo diese Ratten sind«, schloss sie. Und dann kam ihr ein weiterer Gedanke. »Und weil du sichergehen willst, dass sie dich zum neuen Chef machen, natürlich.«
»Du hast es wie immer durchschaut. Ja, ich muss ein doppeltes Spiel spielen. Wenn sie herausbekommen, dass ich Kaysers Massenmord-Programm stilllegen will, machen sie mich nicht zum Präsidenten, sondern werfen mich stattdessen in den Hudson. Mit einem Betonklotz an den Füßen. Da sind sie altmodisch. Und dich auch, meine Liebe.«
»Du bist sehr sicher, dass dieser Flieger nicht abgehört wird, oder?«
»Ein Restrisiko bleibt immer. Ich habe selbstverständlich dafür gesorgt, dass die Welt von der Sache erfährt, falls mir etwas zustößt.«
»Wie das denn?«, fragte sie erstaunt.
»Das sage ich nicht einmal dir. Aber glaub mir, sie wird es erfahren.«
»Dann ist Lex Kayser gar nicht in deinem Büro gestürzt?«, fragte sie erschrocken.
Er nickte bestätigend und knurrte: »Ich habe ihn nicht mehr ertragen, dieses selbstgefällige alte Arschloch. Redet über Hunderttausende und Millionen von Menschenleben, als ginge es um Spielsteine bei Risiko oder Monopoly. Da hab ich ihm die Bankier-des-Jahres-Statue über den Schädel gezogen. Er ist mit derselben Stelle gegen den Tisch geknallt.«
»Und wo ist das Ding jetzt?«
»Keine Sorge, die findet keiner. Auf dem Grund des Zürichsees.«
Freitag, 22. März, 12 Uhr 40
Im Val Fex
»Langsam wird das hier unser Hausberg«, sagte Markus Denninger, nachdem sie das Ende des Val Fex erreicht hatten und eine kurze Trinkpause machten.
»Ich bin übrigens unbewaffnet«, sagte Thien. »Wenn die hier irgendwo sitzen, kann ich mich nicht wehren.«
»Wir schauen ja nur, was hier los ist«, beschwichtigte ihn Denninger. »Wir sind zwei ganz normale Skitourengeher.«
»Du bist ein ganz normaler Skitourengeher, der eine Heckler & Koch MP5 unterm Anorak trägt, ist dir das schon aufgefallen?«
»Jetzt, wo du’s sagst … Und ich denk die ganze Zeit: was baumelt denn da? Hm … beim genauen Hinsehen ist es eine HK MP5 k. K wie Kurzvariante. Gerade mal zweiunddreißig Zentimeter lang, zweiundzwanzig Zentimeter hoch. Die sieht keiner.«
»Wohler wär mir, wenn ich auch so ein Ding hätte.«
»Hast du aber nicht«, entgegnete Denninger. »Du bist deutscher Staatsbürger. Du darfst hier in der Schweiz nicht bewaffnet rumrennen.«
»Aber du, was?«
»Ich hab Schweizer Papiere. Willst sehen?«
»War ja klar. Nein, will ich nicht.«
»Also, noch mal«, sagte Denninger. »Wir checken die Lage, gehen aber nirgends rein oder nähern uns irgendwelchen Terroristen. Sollten wir welche entdecken oder Hinweise auf Terroristen, holen wir Verstärkung.«
»Hab’s verstanden. Ich will sie nur da endlich rausholen.«
»Das will ich auch. Aber wir wollen beide nicht, dass die bei einem Angriff ihre Geiseln umbringen, oder?«
»Lass uns über den Sattel zum Gletscher«, drängte Thien zum Aufbruch und wies mit dem Skistock in Richtung der Gipfelschulter des Il Chapütschin. »Ich muss es wissen.«
Zwei Stunden später überschritten sie die Schulter, und vor ihnen erstreckte sich der Roseggletscher. Erneut tranken sie Tee und aßen je einen Energieriegel.
»Die Höhle ist im Sommer wohl ziemlich groß geworden, und das Schmelzwasser hat sie erneut vergrößert«, berichtete Thien das, was er von der jungen Glaziologin erfahren hatte, die er am Abend des Vortages zwar nicht mehr
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