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Bluteis: Thriller (German Edition)

Bluteis: Thriller (German Edition)

Titel: Bluteis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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noch genug Zeit für sich gehabt hatte, um für den New York Marathon zu trainieren. Und schließlich an ihm teilzunehmen. Und wie er damals über die große Brücke gelaufen war, allerdings in der anderen Richtung, von Brooklyn kommend nach Manhattan. Wie lange war das her? Mittlerweile hatte er nicht mal mehr genug Zeit für seine Familie und für sich selbst schon gar nicht. Auch die Schäferstündchen mit Annemarie, die er sich als Ausgleich zu seinem Stress gönnte – gönnen musste –, verschafften ihm nicht mehr die Befriedigung wie zu Anfang ihrer Affäre. Und was hieß schon Schäferstündchen – Schäferfünfminütchen wäre der bessere Ausdruck. Eine richtig heiße Nacht hatten sie erst gestern wieder im Walldorf Astoria verlebt, nachdem sie am John F. Kennedy Airport gelandet waren. Das war schon ganz in die Richtung gegangen, was sie anfangs miteinander angestellt hatten. In der kommenden Nacht wollte er es noch einmal richtig mit ihr treiben. Lex Kayser hatte ihn da auf eine Idee gebracht: Er hatte sich ein paar der rautenförmigen blassblauen Pillen besorgt, um Annemarie von seinen Marathonqualitäten zu überzeugt. Das hatte er sich fest vorgenommen.
    Während seine Limousine durch Brooklyn glitt und er die Häuser an sich vorbeiwischen sah, überlegte er, ob es nicht das Beste wäre, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Erst alles hinwerfen, seinen Job, die Aufsichtsratsposten, die Anwartschaft auf den Vorsitz der Osterbacher. Geld genug hatte er. Er konnte sich hier in Brooklyn oder in Queens eine Wohnung mit Blick auf die Skyline von New York nehmen und … Ja, und? Malen. Fotografieren. Versuchen, ein Buch zu schreiben.
    Er musste laut auflachen. Der Fahrer checkte im Rückspiegel, ob es seinem wichtigen Passagier gutging. Nein, doch, im Ernst, das könnte er. Er hatte so viel erlebt. Gerade in der letzten Zeit. Das war doch Stoff für einen Thriller, der so noch nicht geschrieben worden war. Wer in der Welt wusste denn wirklich über die Zusammenhänge so Bescheid wie er? Nur, würden sie ihn das lassen? Würde er nicht mit einem Betonklotz an den Füßen im Hudson verschwinden, so wie er es Annemarie im Flieger prophezeit hatte? Sie hatten schon mehrere Leute aus dem Weg geräumt und auch nicht vor den Mord an einem amerikanischen Präsidenten zurückgescheut. Zwar redete niemand bei den Osterbachern darüber, aber die Kennedy-Sache trug doch ganz die Handschrift der Mächtigsten der Mächtigen, egal, ob die sich nun Osterbacher nannten oder wie auch immer. Und er wollte nun der Boss dieser Vereinigung werden? Hatte er sich gewünscht, einmal das zu werden, als er damals sein Studium begonnen und mit Bestnote abgeschlossen hatte? Als er nächtelang für die Beratung gearbeitet hatte? Hatte er das alles getan, um am Ende der Boss der kapitalistischen Weltverschwörung zu werden?
    Bis vor wenigen Tagen hätte er gesagt: »Ja. Denn wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer. Und dann müsste ich nach dessen Regeln spielen.« Doch der Unfall mit Lex Kayser – er brachte es tatsächlich fertig, es auch für sich einen Unfall zu nennen – hatte seine Gedanken in ein anderes Fahrwasser gebracht. Und war es nicht so, dass er sich gerade im Moment auf dem Weg zum Vorstandsvorsitzenden des Logistikunternehmens ULC befand, um diese Ratten- und Mäusesendung zu verhindern? Ein wahnsinniges Unterfangen, weil er dadurch seine gerade in Sicht gekommene Position als Ober-Osterbacher gefährdete. Aber die Aktion war auch deshalb wahnsinnig, weil es vollkommen unwahrscheinlich war, dass dieser Mann ihm den Aufenthaltsort der tödlichen Fracht nennen würde, denn er war sicherlich nicht so blöd, zuzugeben, dass er damit zu tun hatte.
    Wem konnte er trauen? Sollte er den Mann einfach geradeheraus darauf ansprechen? Oder sollte er um den heißen Brei herumreden und abwarten, ob sein Gesprächspartner von sich aus auf die Sache zu sprechen kam? Vielleicht war ihm ja selbst nicht wohl bei der Sache. Wenn er überhaupt davon wusste.
    Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Es war Zeit, dass sie den Landsitz von Peter Staiger in Glen Cove erreichten. Tatsächlich bog der Fahrer gerade rechts in eine lange Auffahrt, an deren Ende eine Villa aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stand.
    Peter Staiger erwartete seinen Gast in der Bibliothek des Hauses. Der gebürtige Österreicher aus Villach hatte während der dreißig Jahre seiner Karriere in den Staaten einen geradezu

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